zum Hauptinhalt

Brandenburg: Biber-Alarm in Zietenhorst

Die Nagetiere sollen im Havelland einen Damm zerstört haben. Durch ein fünf Meter breites Loch flutet Wasser auf die Felder

Zietenhorst. Im Rhinluch zwischen Fehrbellin und Kremmen herrscht Hochwasseralarm. 400 bis 500 hundert Hektar Felder, Wiesen und Weiden sind 50 bis 80 Zentimeter hoch überschwemmt. Menschen befinden bisher nicht in Gefahr. Diesmal sind allerdings keine starken Niederschläge an den Fluten Schuld, sondern ein höchst wahrscheinlich durch Biber ausgelöster Dammbruch in der Nähe der Ortschaft Zietenhorst. Hier klafft eine rund fünf Meter breite Lücke im schon vor 250 Jahren angelegten und vor zehn Jahren erneuerten Deich, so dass sich das Wasser aus dem Rhin ungehindert in die dahinter liegenden Flächen ergießen kann.

Seit Dienstag versuchen Fachleute die undichte Stelle zu schließen. Doch die Bedingungen sind in dem sumpfigen Gelände äußerst schwierig. Schwere Technik kann nur auf dem Wasserweg gebracht werden. Die Fahrt durch das Rhinluch gleicht derzeit einer Tour durch ein riesiges Seengebiet. „Anders kann es am Amazonas auch nicht sein“, meint ein Bauer kopfschüttelnd am Ortseingang von Zietenhorst. So eine Wassermenge habe er lange nicht gesehen, obwohl er schon 72 Jahre in der Gegend unweit der Autobahn A 24 Berlin-Hamburg lebe. An eine Bewirtschaftung der Felder dürfte für lange Zeit nicht zu denken sein.

Das Wasser hat einige Tiere besonders aufgeschreckt: Ständig kreuzen Rehe und manchmal auch ein kapitaler Hirsch die holprigen Pflaster- und Betonplattenwege. Sie suchen die wenigen trockenen Plätze und kennen in ihrer Panik keine Scheu.

Hinter dem Ortsausgang laufen zwei Angehörige der Wasserschutzpolizei Streife. Den Dammbruch haben sie noch nicht gesehen. „Wir trauen uns mit unserem Audi nicht auf die Buckelpisten“, sagen sie. Ein Boot wäre jetzt angebrachter. Schließlich machen sie sich zu Fuß auf den Weg. Doch wie alle Helfer und Neugierigen kommen auch sie nicht um nasse Füße herum. Dafür werden sie mit seltenen Zeugnissen der Arbeit des Bibers belohnt.

Überall stehen angenagte oder bereits gefällte Baumstämme. In ihrer Nähe gibt es mehrere Biberburgen. Nur das 20 bis 30 Kilogramm schwere und 110 bis 140 Zentimeter lange Nagetier macht sich rar. „Es ist vorwiegend dämmerungs- und nachtaktiv“, erklärt der Kremmener Naturfreund Alfred Hundrieser, der sich das „einmalige Schauspiel“ nicht entgehen lassen will. „Der Biber ist das Paradepferd des ostdeutschen Naturschutzes“, erzählt er. „Wo er sich heimisch fühlt, ist die Natur noch in Ordnung. Am Neckar oder anderen westdeutschen Flüssen ist er schon längst ausgestorben.“ Motorenlärm kündigt schon von weitem die Arbeiten am Dammbruch an. Ein Kubikmeter Wasser strömt pro Sekunde durch das Loch aus dem Rhin. Sechs Meter lange Eisenträger werden mit dem Kran in den weichen Boden gerammt, um dem Wasser mit einer provisorischen Wand Einhalt zu gebieten.

Wilfried Erdmann vom Brandenburger Landesumweltamt will sich nicht festlegen, ob tatsächlich Biber allein den Damm zerstört haben. „Schauen Sie sich um, überall sind Spuren von Wildschweinen und Wühlmäusen“, erklärt der Experte. „Vielleicht haben auf der einen Seite Wildschweine und auf der anderen Seite Biber gegen den etwa anderthalb Meter breiten Deich gedrückt. Irgendwann hat er dann nachgegeben.“

Deutlicher legt sich da schon Detlef Glase, Geschäftsführer des zuständigen Wasser- und Bodenverbandes, fest. „Wir haben 300 Meter entfernt eine Biberburg und eine durch den Damm gegrabene Röhre entdeckt. Das ist eindeutig Arbeit des Nagetiers.“ Vorsichtshalber sei das Loch mit Erde gefüllt worden.

Entdeckt wurde der Dammbruch nach fast gleichzeitig beim Umweltamt eingegangenen Meldungen der Schleuse in Alt-Wustrack und des Bewohners der einsamen Nellly-Ranche. Während der Schleusenwärter ein rapides Absinken des Wasserstandes feststellte, war beim Ranche-Bewohner das Gegenteil der Fall. Die beteiligten Baufirmen hoffen, das Leck bis zum Freitagnachmittag schließen zu können. Doch die Hochwassergefahr im Rhinluch bleibt. Denn niemand kennt die genaue Zahl der Biber. „Es können zwei Familien, aber auch zehn sein“, mutmaßt Naturschützer Hundrieser.

Zur Startseite