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Brandenburg: Biedermänner im Bundeswehr-Pullover

Das forsche Auftreten von selbsternannten Bürgerwehren wird den Einwohnern des Grenzstädtches Forst zuvielVON FRANK HOFMANN FORST.In der Lausitzer Kleinstadt Forst ist eine Debatte über drei selbsternannte Bürgerwehr-Gruppen entbrannt, die seit sechs Jahren zur Abschreckung von Einbrechern in Kleingartenkolonien Patrouille laufen.

Das forsche Auftreten von selbsternannten Bürgerwehren wird den Einwohnern des Grenzstädtches Forst zuvielVON FRANK HOFMANN FORST.In der Lausitzer Kleinstadt Forst ist eine Debatte über drei selbsternannte Bürgerwehr-Gruppen entbrannt, die seit sechs Jahren zur Abschreckung von Einbrechern in Kleingartenkolonien Patrouille laufen.Seit Mitglieder der Bürgerwehr vor kurzem eine unbescholtene Jugendgruppe kontrollierten, werfen ihr Forster Bürger Amtsanmaßung vor.Umstritten ist auch, inwieweit die Gruppen mit dem Bundesgrenzschutz zusammengearbeitet haben.Nun sollen sie durch eine Einbindung in das brandenburgische Konzept der "Sicherheitspartnerschaften" offiziellen Charakter bekommen."Schauen sie sich den Katalog hier an, wir hätten alle Möglichkeiten, uns paramilitärisch auszustatten", sagt Gunter Leberger und schlägt den Katalog eines Militaria-Versandhauses auf.Leberger ist Mitglied der Forster "Bewachungsgruppe" "BWG 39".Die Nummer entspricht dem CB-Funk Kanal 39, BWG wird aber auch als "Bürgerwehr-Gruppe" übersetzt.Sicherheit ist in der Kleingartenkolonie "In den Hainen" das Thema schlechthin."Hier, die Armbrust - das ist eine echte Mordwaffe", sagt Leberger und zeigt auf den Katalog, der vor ihm auf einem Tisch der Vereinsgaststätte "Reithalle" liegt.Die Waffe sei legal zu kaufen."Tun wir aber nicht", sagt der 40jährige.Er sei der Meinung, daß "alles doch gar nicht so schlimm ist, wie alle jetzt sagen".Mit Handschellen, Stablampen, Schreckschußwaffen mit Leuchtmunition und Tränengaspatronen, Handys und CB-Funkgeräten bewachen die Schrebergärtner der beiden Kolonien "In den Hainen" und "Morgenröte" seit sechs Jahren ihre Lauben am Neiße-Damm, - und ganz offensichtlich nicht nur die.Nachdem die selbsternannte Bürgerwehr auf dem Europäischen Radwanderweg des Deiches vor kurzem eine Gruppe unbescholtener Jugendlicher angehalten hatte, die in der Dunkelheit auf dem Weg von ihrer Kirchengemeinde nach Hause waren, redet die ganze Stadt über die schnelle Truppe.Der Pfarrer organisierte ein Gemeindeforum, auf dem das Thema Bürgerwehr debattiert wurde.Aus der Gemeinde hagelte es Beschwerden über die polizeiähnlich gekleideten Aufpasser.Er verstehe die Aufregung nicht, sagt Leberger: Die Bewacher haben sich ihre Bundeswehr-Pullover gekauft, "weil die schön warm sind".Auf dem rechten Ärmel der Pullis prangt ein schwarz-rot-goldenes Abzeichen mit dem Titel der Bürgerwehr-Gruppe.Über der linken Brusttasche steht der Name des Pulloverträgers."Es hat uns niemand gesagt, wir dürfen das nicht", sagt der 40jährige.Und auch die Polizei und der BGS "wußten doch die ganze Zeit von uns, jetzt tun die so, als ob die von uns nie gehört hätten".Das Grenzschutzpräsidium Ost des BGS in Berlin will unterdessen nicht zu sehr mit den Bürgerwehren in Verbindung gebracht werden: "Es gibt mit diesen Leuten keine Zusammenarbeit, in dem Sinne, daß aus unserer Auftragsverwaltung dort was raus geht", sagt BGS-Sprecher Torsten Weidemann.Sein Kollege Jan-Christof Möller, der zuständige Polizeirat an der Grenze in Jänschwalde, kann indessen nicht ausschließen, "daß es vor Ort Aufträge durch Mitarbeiter des Bundesgrenzschutzes an Mitglieder der Bürgerwehren gegeben hat."Gunter Leberger ist stolz auf die "Erfolgsbilanz" der privaten Trupps: Im August 1997 habe der BGS "nur durch unsere Hilfe" rund 70 Flüchtlinge am Neiße-Damm festgenommen."Damals durften wir sogar mit Blaulicht beim BGS mitfahren", sagt Leberger.Zwei Polen seien im vergangenen Oktober in einem Bungalow auf frischer Tat gestellt worden.Sie wurden in Handschellen gelegt und der Polizei übergeben.Der BGS nehme sie ernst, glaubt Leberger.Tatsächlich nehmen in den Wintermonaten die Einbrüche in den beiden Kleingartenkolonien direkt an der deutsch-polnischen Grenze überhand: Die Häuschen werden auf der Suche nach Diebesgut reihenweise durchwühlt.Wasserpumpen, Gasflaschen und Radios verschwinden über die grüne Grenze, sagt der 63jährige Vereinsvorsitzende der Kleingartenkolonie "Morgenröte", der zu DDR-Zeiten am Neißedamm "Grenzhelfer" war.Der Rentner hat die Diebestouren akribisch notiert.Die Stimmung unter den Garten-Bewachern sei äußerst gereizt, sagt er: "Wenn die jetzt jemanden erwischen, schlagen die ihn tot." Vor den Protesten "sind die mit Bürgerwehr-Aufklebern auf ihren Autos durch Forst gefahren", ständig per CB-Funk untereinander in Kontakt.In der Vereinsgaststätte bereiten sich rund 20 Bürgerwehr-Aktive auf ein Gespräch mit der Forster Polizei vor.Die Gruppen soll in das Konzept des Brandenburger Konzeptes "Partner für mehr Sicherheit" eingebunden werden.Das Programm sieht vor, daß sich Bürger zu "Sicherheitspartnern" zusammenschließen und mit Handy und Taschenlampe in der Hand die Straßen nachts beleben, aber auch zur Seniorenhilfe und Jugendarbeit bereit stehen."Das bieten wir ihnen an", sagt der stellvertetende Schutzbereichsleiter von Forst."Wir sind bereit, die Sicherheitspartnerschaft aufzubauen", sagt Leberger.Und: Zu den massiven Protesten aus der Kirchengemeinde sei es nur gekommen, "weil dieser Unfall mit den Jugendlichen passiert ist".Die 14 und 15jährigen haben vor ihrem Heimweg mit dem Pfarrer ein Theaterstück geprobt: "Biedermann und die Brandstifter".

FRANK HOFMANN

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