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Brandenburg: Bildung: So richtig jubeln will keiner

Um zwölf Uhr, als das Bundesverfassungsgericht seinen Vergleichsvorschlag in Sachen LER und Religionsunterricht verkünden will, finden sich SPD-Fraktionschef Gunther Fritsch und die bildungspolitische Sprecherin Ingrid Siebke im Zimmer des Fraktionssprechers ein. Dort steht der Fernseher, dort laufen die Agenturmeldungen ein.

Um zwölf Uhr, als das Bundesverfassungsgericht seinen Vergleichsvorschlag in Sachen LER und Religionsunterricht verkünden will, finden sich SPD-Fraktionschef Gunther Fritsch und die bildungspolitische Sprecherin Ingrid Siebke im Zimmer des Fraktionssprechers ein. Dort steht der Fernseher, dort laufen die Agenturmeldungen ein. Doch die Geduld der Politiker wird auf eine Probe gestellt: NTV erwähnt auch um 12 Uhr 30 in seinen Kurznachrichten Karlsruhe mit keinem Wort. Nur eine Brandenburger Provinz-Affäre?

Auch der ORB, der mit einem Team vor Ort ist, setzt das normale Programm fort. Keine Liveschaltung nach Karlsruhe, wo Ministerpräsident Manfred Stolpe, Bildungsminister Steffen Reiche (SPD) und Justizminister Kurt Schelter (CDU) im Gerichtssaal sitzen. "Etwas übertrieben", wie Abgeordnete finden, musste für den Karlsruhe-Flug doch extra ein Jet gechartert und die Kabinettsitzung auf 20 Uhr abends verschoben werden. "Auch der Prozessbevollmächtigte hätte den Vorschlag in Empfang nehmen können", meint Fritsch.

Doch der LER-Streit ist so brisant, dass er, wie Innenminister und CDU-Chef Jörg Schönbohm warnte, sogar einen Koalitionsbruch auslösen könnte: Es gebe kein anderes politisches Thema, wo die Meinungen von SPD und CDU so weit auseinander lägen, sagte er vor dem Karlsruher Termin. Bezeichnend auch, dass sich die Partner bei den Koalitionsverhandlungen nicht selbst auf einen Kompromiss einigen konnten. Im Koalitionsvertrag wurde die Entscheidung den Karlsruher Richtern überlassen. Würde das Gericht auf einem Wahlpflichtfach bestehen, wäre das ein kritischer Punkt für die SPD, sagt Fritsch.

Dann endlich die erste Agenturmeldung vor: Großes Aufatmen bei der SPD, denn LER bleibt unangetastet. Die Richter hätten offenbar keinen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Faches, sagt Fritsch erleichtert. Mit den Vorschlägen zur Aufwertung des Religionsunterrichts könne die SPD leben, denn die Karlsruher Richter bestünden nicht auf einem Wahlpflichtfach. Nur mit Zwang hätte er Probleme, so Fritsch. Dass Religionsunterricht in die regelmäßige Unterrichtszeit integriert und ab mindestens 12 (bisher 16) Schülern erteilt werden soll, sei akzeptabel. Zwar wird, wie die bildungspolitische Sprecherin Ingrid Siebke einwirft, das Land nun mehr Geld für den Religionsunterricht zahlen müssen, doch sieht man das als das kleinere Übel an: Fritsch will nicht von Siegern oder Besiegten sprechen, dies hatte kürzlich - die Karlsruher Empfehlung lag noch gar nicht vor - schon Bildungsminister Reiche getan und prompt einen Koalitionskrach ausgelöst.

Fritsch tut auch gut daran, den Koalitionspartner nicht unnötig zu reizen. Der CDU-Fraktionschefin Beate Blechinger ist anzumerken, dass sie über die Nachrichten aus Karlsruhe nicht glücklich ist: Sie will sie nicht bewerten. "Wir werden uns in den nächsten Tagen intensiv damit auseinander setzen", weicht sie aus. Erst dann sei die Frage zu beantworten, ob die CDU eine Niederlage erlitten habe. Auch müsse mit der SPD erst noch verhandelt werden, wie die Karlsruher Empfehlungen "am besten umgesetzt" werden könnten. Blechinger erhofft sich offenbar, noch die eine oder andere Verbesserung erreichen zu können. Doch ihr SPD-Amtskollege Fritsch blockt ab: Man werde sich streng an die Empfehlungen der Verfassungsrichter halten. Sie seien eine "gute Gesprächsgrundlage". So sieht es auch die PDS: Fraktionschef Lothar Bisky hält die Vorschläge für "angemessen", auch wenn die CDU sie erst noch "verdauen" müsse. Bis zum 31. Januar 2002 haben alle Seiten Bedenkzeit. Auch wenn sie die Vorschläge abzeptieren, wird es bei den Verhandlungen über die Änderungen am Schulgesetz noch einmal spannend werden.

Michael Mara

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