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Brandenburg: Bluff am Laternenpfahl

In Cottbus ist kaum jemand wählen gegangen. Dafür hängen schöne Plakatkombinationen in der Stadt

Cottbus. „Arbeitslos? Neue Perspektiven entdecken! Erotikmesse!“ – Verblüffung auf der Autofahrt ins Cottbuser Zentrum. Welche Partei hat diesen Ausweg plakatiert? Drei Laternenpfähle weiter hängen die gleichen Schlagworte. Diesmal ist sogar die PDS als Urheber auszumachen. Beim Stopp vor dem nächsten dekorierten Mast fliegt der Bluff auf. Spaßmacher oder der Wind haben die höchst unterschiedlichen Plakate so übereinander geschoben, dass Autofahrer nur die beiden Überschriften wahrnehmen.

Die PDS, noch immer die mitgliederstärkste Partei in Cottbus, hat die Kommunalwahl gewonnen und über 25 Prozent der Stimmen geholt. Knapp dahinter liegt die CDU, während die SPD rund 16 Prozent verlor und unter 20 Prozent blieb.

Doch wer nach Erklärungen sucht, kommt zumindest im Cottbuser Zentrum nicht weit. Denn in der 100 000-Einwohner-Stadt mit ihren knapp 20 Prozent Arbeitslosigkeit sind Nichtwähler leichter zu finden als Teilnehmer der Stimmabgabe. Ganze 28,4 Prozent der 88 000 Wahlberechtigten machten in der Stadt und den Orten ringsherum überhaupt ein Kreuz auf den Stimmzetteln. Zu den üblichen Gründen wie „Frustration über Schröder“, „Denkzettel“ oder „Enttäuschung über die da oben“ kommen in Cottbus noch spezielle hinzu.

„Bei uns im Rathaus wird doch Kasperle-Theater gespielt“, schimpft Gudrun Weber in der Fußgängerzone „Sprem“. „Die Oberbürgermeisterin ist parteilos und nimmt auf die Parteien kaum Rücksicht.“ Das angesprochene Stadtoberhaupt Karin Rätzel kam vor fast zwei Jahren zum Amt, nachdem ein Korruptionsskandal Teile der alten Rathausspitze erschüttert hatte. Am Sonntag stand sie nicht zur Wahl.

„Deshalb bin ich gar nicht wählen gegangen“, begründet Marko Hübner, ein 21-jähriger Azubi, sein Fernbleiben. „Ich hätte gegen sie gestimmt, weil sie trotz vieler Versprechen noch immer kein Einkaufszentrum und kein großes Kino auf die Beine gestellt hat.“ Karin Rätzel gestand diese Kritikpunkte in ihrer letzten Rede vor der Stadtverordnetenversammlung ein und versprach „Besserung“. Sie selbst empfindet die schwache Wahlbeteiligung als „Denkzettel für die Cottbuser Parteien“ – also nicht für sie, die Parteilose. Das Fernbleiben der Mehrheit der Wähler führe zu einer „bedrohlichen Situation für die Legitimation der Abgeordneten.“ Sie wolle nun mit wechselnden Mehrheiten regieren.

Der Wahlerfolg der PDS löst bei den Bürgern unterschiedliche Reaktionen aus. „Da kann der Herr Otto wohl seine Pläne für ein riesiges Shoppingcenter vergessen“, sagt Joachim Skowronek. „Die PDS lehnt schließlich die gigantischen Ausmaße immer ab.“ Der ECE-Konzern des Hamburger Versandhausgründers Werner Otto wollte schon vor Jahren ein Center eröffnen, scheiterte aber bislang an Klagen von Bürgern.

Andere Passanten rechnen mit einem raschen Absturz der PDS. „Die können auch kein Geld drucken, um die Schulden zu tilgen“, gibt sich Heinz Schurig überzeugt. Aber immerhin hat es für schöne Wahlplakate gereicht. Claus-Dieter Steyer

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