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Bodenreformaffäre: Amtsgerichte machen Druck auf Finanzminister

Richter wollen alle Daten über unrechtmäßig enteignete Grundstücke erfahren, um sie der Verfügung des Landes zu entziehen

Brandenburgische Amtsgerichte drängen die Potsdamer Landesregierung, ihnen alle Daten von unrechtmäßig enteigneten Grundstücke herauszugeben. Dies bestätigte der Direktor des Amtsgerichtes Cottbus, das für den Spree-Neiße-Kreis zuständig ist, dem Tagesspiegel. Den ungewöhnlichen Schritt hatte das Amtsgericht mit dem Brandenburgischen Oberlandesgericht (OLG) abgestimmt. Ähnlich ging das Amtsgericht Rathenow vor. Auf diese Weise wollen die Richter verhindern, dass das Finanzministerium weiter über die unrechtmäßig enteigneten Grundstücke verfügen kann. Ihre Forderung wird zur Zeit vom Justizressort geprüft.

Wolfgang Rupieper, der Direktor des Amtsgerichtes Cottbus, sagte: „In unserem Zuständigkeitsbereich sind mindestens 1000 Grundstücke betroffen.“ Nachdem das Brandenburgische Oberlandesgericht die unrechtmäßigen Enteignungen von Bodenreformflächen bereits 2004 in einem Urteil als nichtig bewertet hatte, hätten die Rechtspfleger im Landkreis Spree-Neiße sogenannte Amtswidersprüche in die Grundbücher eingetragen. Wenn ein Widerspruch im Grundbuch eingetragen ist, dann kann das Grundstück nicht weiterverkauft, verpachtet oder verwertet werden. Bei Enteignungen vor diesem Datum seien aber keine Widersprüche eingetragen worden.

Amtswidersprüche seien auch bei unrechtmäßig enteigneten Grundstücken in anderen Gemeinden wie Rathenow und Brandenburg/Havel erlassen worden, sagt Thorsten Purps. Dem Rechtsanwalt zufolge akzeptierte die Landesregierung aber das Urteil des OLG nicht: „In mehreren Fällen legte das Land Widerspruch gegen diese Blockierung der Grundbücher ein“, sagt er. Die Beschwerdeverfahren liefen bis heute.

Dem Cottbusser Amtsgerichtsdirektor zufolge wird der Widerspruch erst dann wieder gelöscht, wenn ein legales „Aufgebotsverfahren“ durchgeführt ist. Dazu müssen die Erben des betreffenden Grundstücks ausfindig gemacht werden. Ist dies nicht möglich, dann müssen Vormundschaftsgerichte oder legitimierte Dritte deren Interessen vertreten.

Bisher hat die Landesregierung in einer Reaktion auf das Urteil des Bundesgerichtshofs von Dezember 2007, der das Vorgehen des Landes letztinstanzlich als unrechtmäßig verworfen hatte, lediglich versichert: „Tauchen später Eigentümer der Bodenreformflächen auf, dann wird das Land diesen das Grundstückseigentum übertragen.“ Eine systematische Benennung aller betroffenen Grundstücke und die Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen „Auflassungsverfahrens“ war zunächst nicht geplant.

Dabei hatte das OLG bereits 2004 festgestellt, dass das Verfahren, durch das sich das Land Brandenburg unrechtmäßig Eigentum an rund 10 000 Grundstücken sicherte, unzulässig war, weil kein Vormundschaftsgericht beteiligt war. Der Bundesgerichtshof hatte im Dezember 2007 diese Landnahme noch schärfer als „Insichgeschäft“ des Landes verurteilt. Denn dieses hatte sich einerseits im eigenen Interesse die Grundstücke angeeignet, war aber andererseits als „Vertreter der Erben“ aufgetreten, in vielen Fällen, ohne ordentlich nach ihnen zu suchen. Dies sei sittenwidrig und eines Rechtsstaates nicht würdig, urteilte der Bundesgerichtshof.

„An und für sich hätte das Ganze in dieser Dimension nicht passieren dürfen“, sagt auch der Cottbusser Amtsgerichtschef Rupieper. Die mit der Beurkundung beauftragten Notare, die Landräte und die Grundbuchämter hätten in Fällen wie diesen eine Prüfungspflicht. Doch alle Beteiligten hätten sich offenbar auf das Land verlassen und nicht kritisch genug hingeschaut. Rechtsanwalt Purps begrüßte die Forderungen der Amtsgerichte. „Die Justiz geht voran und leistet einen wichtigen Beitrag zur Herstellung des Rechtsfriedens“.

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