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Bodenreformland: Enteignungsaffäre: Vorwürfe auch gegen Platzeck

Brandenburgs Ministerpräsident gerät selbst unter Druck – will sich aber erst in der nächsten Woche äußern.

Potsdam - In der Enteignungsaffäre gerät SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck weiter unter Druck. Linkspartei-Chef Thomas Nord warf den von Platzeck geführten Sozialdemokraten am Dienstag „fehlenden Instinkt“ beim Umgang mit der „sittenwidrigen“ Grundstücksenteignung durch das Land vor. „Der SPD geht offenbar das Fingerspitzengefühl verloren.“ Nach fast 20-jähriger SPD-Regierung in Brandenburg gebe es zunehmend „Verschleißerscheinungen“.

Aktueller Anlass war die Nominierung der SPD-Vertreter im Untersuchungsausschuss. An solchen Personalien lässt sich ablesen, wie ernst es Parteien mit der Aufarbeitung von Affären meinen. SPD-Fraktionschef Günter Baaske präsentierte zunächst den rechtspolitischen Sprecher Ralf Holzschuher als Mitglied. Schon wenige Stunden später warf dieser das Handtuch, weil er vor 2000 als Anwalt das Land bei der Inbesitznahme von Bodenreformflächen vertreten hatte, in Prozessen gegen bekannte Erben. Das war den Genossen bei der Nominierung bekannt. Zudem zeugt es aus Sicht von Links-Politikern und Christdemokraten nicht gerade von großem Aufklärungswillen, dass die SPD für den ihr zustehenden Ausschussvorsitz Jutta Lieske nominiert hat. Die jugendpolitische Sprecherin der Fraktion ist erst seit 2004 im Landtag und weithin ein unbeschriebenes Blatt. Union und Linke entsenden hingegen meist Politiker, die zur ersten Reihe gehören wie der parlamentarischen Linke-Geschäftsführer Christian Görke oder Abgeordnete, die Erfahrungen mit Untersuchungsausschüssen haben, wie Ex-PDS-Landeschef Ralf Christoffers und der langjährige parlamentarische CDU-Geschäftsführer Dierk Homeyer.

Mit Spannung wird nun die Landtagssitzung nächste Woche erwartet. Die Linken wollen dort nicht nur einen Untersuchungsausschuss einsetzen lassen. Oppositionsführerin Kerstin Kaiser kündigte gestern einen Antrag an, mit dem das Parlament die Verfahrensweise des Landes „missbilligt“, was SPD und CDU ablehnen. Die Missbilligung beträfe nämlich nicht nur die von Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe geführte SPD/CDU-Regierung, unter der sich das Land bei rund zehntausend Immobilien in die Grundbücher eintragen ließ, bevor die Frist zur Sicherung der Landesansprüche am 2. Oktober 2000 ablief. Die Eintragungspraxis lief danach auch unter den Platzeck-Regierungen weiter – bis Februar 2008, als das Anfang Dezember 2007 gefällte BGH-Urteil öffentlich bekannt wurde. Erst danach hatte Finanzminister Rainer Speer (SPD) eine Rückabwicklung angekündigt und eintausend immer noch laufende Anträge des Landes in die Grundbücher zurückgezogen.

Mittlerweile haben sich Hinweise bestätigt, dass auch die Stadt Potsdam unter dem damaligen Oberbürgermeister Matthias Platzeck (SPD) in 60 Fällen Bodenreformgrundstücke enteignete. Wie der Finanzbeigeordnete Burkhard Exner (SPD) sagte, sei die Rathaus-Leitungsebene damals jedoch „nicht befasst“ gewesen. Platzeck selbst will in der Landtagssitzung eine Regierungserklärung zur Enteignungsaffäre abgeben – was Opposition, aber auch der CDU-Koalitionspartner für überfällig halten. Die Union sei, sagte Fraktionschef Thomas Lunacek „nicht glücklich über das lange Schweigen des Ministerpräsidenten“.

Um die Landnahme endgültig zu stoppen, gehen nun auch die brandenburgischen Amtsgerichte in die Offensive. Nach Angaben des Rechtsanwaltes Thorsen Purps fordern diese in Abstimmung mit dem Oberlandesgericht das Finanzministerium in Potsdam zur Herausgabe aller Informationen über die Bodenreformflächen auf, die sich das Land unrechtmäßig angeeignet hat. Anschließend sollen sogenannte „Amtswidersprüche“ in die Grundbücher eingetragen werden. Dadurch werde sichergestellt, dass Brandenburg die Flächen nicht weiterverkaufen oder anderweitig verwerten könne.

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