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© Marlies Kross

Brandenburger Bühnen: Provinztheater ist anderswo

Brandenburger Theaterstandorte liefern beeindruckende Kulturarbeit. Einschnitte gibt’s aber bei der Oper: Cottbus wird einziger Spielstandort

Cottbus - „Wo ich bin, ist keine Provinz“, pflegte Christoph Schroth in seiner Zeit als Cottbuser Intendant zu sagen. Auch sein Nachfolger Martin Schüler darf das von sich behaupten. In der Lausitz wird mit Ernsthaftigkeit lebendige Kunst gemacht, das Publikum liebt sein Theater – und mit Bernhard Sehrings Jugendstil-Musentempel von 1908 hat Cottbus einen der schönsten Bühnenbauten Deutschlands vorzuweisen. Künftig wird die Opernsparte der 1992 zum „Staatstheater“ geadelten Institution noch weiter ausstrahlen als bisher: Martin Schüler und seine Truppe sollen das gesamte Land Brandenburg mit Musiktheater versorgen.

Hinter dieser guten Nachricht verbirgt sich aber auch eine schlechte: Am Theater von Brandenburg/Havel werden ab dem Sommer 2008 keine Operninszenierungen mehr entstehen. Dabei war im Jahr 2000 auf Betreiben des Kulturministeriums ein Theaterverbund gegründet worden, um Brandenburg trotz massiver Sparzwänge neben Cottbus als zweiten Opernstandort halten zu können. Drei Städte helfen sich seitdem gegenseitig mit Gastspielen aus: Potsdam liefert Schauspiel, Frankfurt/Oder tourt mit seinem Sinfonieorchester durch die Lande – die Brandenburger waren eben für den musiktheatralischen Teil zuständig. In der Amtszeit von Christian Kneisel entstanden an der Havel Opernproduktionen von beachtlicher Qualität, vor allem auch dank des hervorragenden Brandenburger Generalmusikdirektors Michael Helmrath. Doch weil nach der Wende erst das Sängerensemble, dann der Chor und schließlich große Teile von Technik und Werkstätten wegrationalisiert worden waren, musste Kneisel für jede Vorstellung komplett freiberufliche Teams engagieren – eine betriebswirtschaftlich gesehen absurd teure Situation, die nun ausgerechnet während der Feierlichkeiten zum 190. Gründungsjubiläum des traditionsreichen Theaters das Aus für alle Musiktheaterprojekte in Brandenburg/Havel bedeutete. Arnold Bischinger, der künstlerische Leiter des Frankfurter Veranstaltungszentrums „Kleist-Forum“, wertet als Sprecher des Theaterverbundes die Entscheidung dennoch positiv: Weil die Zuschüsse vom Land und den Kommunen auf dem jetzigen Stand von rund 25 Millionen Euro bis 2010 konstant bleiben werden, die Personal- und Sachkosten aber stetig steigen, kann durch den Schnitt beim Musiktheater wenigstens das Qualitätsniveau der anderen Sparten gesichert werden.

Auch wenn das Land Brandenburg im Kulturbereich vor allem wegen finanzieller Probleme von sich reden macht, ist das Angebot vor Ort immer noch vielfältig. Seit Eröffnung des Neubaus an der Schiffbauergasse erlebt das Potsdamer Hans-Otto-Theater einen Publikumsansturm, den Intendant Uwe-Eric Laufenberg durch eine effektsichere Programmpolitik über die erste Neugierphase hinaus erhalten will. Die Kammerakademie Potsdam, gegründet als Ersatz für das abgewickelte Sinfonieorchester der Landeshauptstadt, hat sich einen hervorragenden Ruf erspielt und wird mit Michael Sanderling und dem Italiener Andrea Marcon gleich von zwei der interessantesten Dirigenten der jüngeren Generation geleitet.

In Frankfurt/Oder lockt neben dem Kleist-Forum vor allem die „Konzerthalle Carl Philipp Emanuel Bach“ in einem ehemaligen Franziskanerkloster aus dem 13. Jahrhundert die Besucher an. Das dort residierende „Staatsorchester“ hat sich gerade für den Briten Howard Griffith als neuen Musikchef entschieden. In Brandenburg/Havel soll es weiterhin selbst produziertes Jugend- und Puppentheater geben sowie die stets gut besuchten Auftritte der „Brandenburger Sinfoniker“.

Beeindruckende Basiskulturarbeit leisten jottweedee in den dünn besiedelten Randregionen die Uckermärkischen Bühnen in Schwedt, die mit einem populären Programm von 800 Veranstaltungen in jeder Spielzeit fast 160 000 Besucher erreichen, sowie das Senftenberger Kinder- und Jugendtheater, das nicht nur den Schülern aus der gesamten Niederlausitz allererste Bühnenerlebnisse ermöglicht, sondern dank der Leitung von Sewan Latchinian auch 2005 bei einer nationalen Kritikerumfrage zum „Theater des Jahres“ gewählt wurde. Neben den staatlich geförderten Institutionen gibt es zwischen Wittenberge und Lübben, Prenzlau und Eisenhüttenstadt außerdem 39 weitere kleine und kleinste Kulturstandorte.

Und dann ist da natürlich noch die Kammeroper Schloss Rheinsberg: Das von Komponist Siegfried Matthus gegründete Festival für den Sängernachwuchs ist zwar nur im Sommer präsent, doch es hat sich seit einen so guten Ruf erworben, dass Horst Köhler im August Rheinsberg zum Austragungsort für das traditionelle Benefizkonzert des Bundespräsidenten machte. Provinz ist was anderes.

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