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Brandenburgs CDU: Bloß nicht wieder streiten

Brandenburgs CDU will nach dem Machtverlust innerparteilichen Zwist vermeiden. Eine Fehleranalyse des Wahlkampfs ist aber unvermeidlich.

Potsdam- Es ist, als hätten sie sich alle an den Händen gefasst in der Brandenburger CDU. „Kein Streit, bloß kein Streit!“ – das ist die Devise in der Partei, die zur Verliererin der Landtagswahl geworden ist. Angefangen mit der Landes- und Fraktionschefin Johanna Wanka verbreiten die CDU-Frontleute ihre Botschaft bei jeder Gelegenheit. „Wir müssen zusammenstehen“, sagt Wanka. Jetzt, in der Opposition sei „der Wille da, das als Chance zu begreifen“.

Wankas Zuversicht erscheint ungekünstelt – und ist deshalb so erstaunlich. Noch ist der Ex-Spitzenkandidatin und Kulturministerin die frische Wut einer Frau anzumerken, die plötzlich ohne Warnung vor die Tür gesetzt worden ist. Der Groll auf den treulosen Matthias Platzeck wirkt, das glaubt Johanna Wanka offenbar, auf die ganze CDU in gleicher Weise: einigend. Wenn sie sich da mal nicht täuscht.

Gewiss – auch andere Strategen der märkischen CDU wollen jetzt keine personelle Auseinandersetzung. Erst recht soll sich ein Fundamentalstreit wie der um die Nachfolge Jörg Schönbohms vor zweieinhalb Jahren nicht wiederholen. Das Duell Ulrich Junghanns gegen Sven Petke hatte traumatische Wirkung. Einer, der damals dabei war, spricht von einer „Ur-Erfahrung“. Die Abgeordnete Saskia Funck, die vor kurzem den Fraktionsvorsitz für Wanka aufgab, hält diese Erfahrung für prägend, bis heute. „Die Partei wird Auseinandersetzungen, wie wir sie hatten, nicht mehr akzeptieren“, sagt sie. Die CDU habe ihre Vergangenheit hinter sich gelassen – das sei nur in der Öffentlichkeit noch nicht angekommen.

So viel Zuversicht verdient schon fast Bewunderung. Gerade dreißig Kilometer von Funcks Arbeitszimmer auf dem Potsdamer Brauhausberg entfernt, würden ehrliche Parteifreunde aus der Berliner CDU darüber milde lächeln. Opposition war in Berlin bis vor einem Jahr gleichbedeutend mit Dauerkrise und sich wiederholenden Versuchen der parteilichen Selbstverstümmelung. Opposition bedeutet den Wegfall von Außendruck und Disziplinierungszwang. In der Opposition hält man so lange zum Chef und möglichen nächsten Spitzendkandidaten, bis in der Partei erste Zweifel an dessen Siegesmöglichkeiten wirklich laut werden. Opposition bringt die schlechten Seiten der Parteiseele hervor.

Immerhin: In der Brandenburger CDU halten sie sich mit Kritik an ihrer Spitzenkandidatin noch sehr zurück. Die Professorin, die Kulturministerin geworden ist und dieses Amt so gern behalten hätte, soll nun Oppositionsführerin und Landeschefin sein. „Frau Wanka ist unangetastet in dieser Position – und die Partei will Ruhe,“ heißt es.

Das erinnert an Angela Merkels Umgang mit schlechten Wahlergebnissen: Analyse macht nur Ärger. Doch funktioniert die Strategie nur dann, wenn man gleich weiterregieren kann. Wankas Hinweis, ihre Partei habe im Vergleich zu 2004 immerhin 0,4 Prozentpunkte gewonnen, überzeugt nicht mal ihre Parteifreunde. Das Wahlergebnis vom 27. September hat fünf Wochen nach der Wahl nichts von seiner doppelt negativen Wirkung verloren: Wankas Rechnung ist zwar korrekt – doch fehlt der Vergleich zum Brandenburger CDU-Ergebnis für die Bundestagswahl. Frau Kanzlerin in ihrer knallgrünen Kostümjacke vor schwarzem Hintergrund war in Brandenburg für 23,6 Prozentpunkte gut, Wanka bloß für 19,8. Das muss Gründe haben.

Sven Petke findet, dass seine Partei sich jetzt mit diesen Gründen befassen sollte. Im Vergleich zur Bundestagswahl fehlen beim Votum für den Landtag 50 000 Wähler, sagt Petke. Der 41 Jahre alte Ex-Generalsekretär will es mit der zugespitzten Analyse nicht gleich übertreiben. Doch eine Debatte über das Brandenburger Wahlergebnis hält er durchaus für notwendig. Petke ist, das weiß er selbst am besten, für seinen Ehrgeiz berühmt und wegen der daraus resultierenden fatalen Folgen berüchtigt. Also hält er sich mit kritischen Bemerkungen zurück.

Sein Ehrgeiz aber erfüllt Petke mit Unruhe. Wie in Berlin wird sich auch in Brandenburg die Linke als regierungsfähig und -freudig erweisen – die Union ist in die Opposition verbannt, und „wir sollten uns auf eine längere Zeit einrichten“, sagt Petke. Mindestens fünf, vielleicht sogar zehn Jahre – dann aber wird der relativ junge Mann von heute 51 Jahre alt sein. Mit ihm steht einer ganzen Generation ambitionierter CDU-Politiker der bittere Prozess des Alterns in der Opposition bevor. Saskia Funck, die Finanzfachfrau aus Werder an der Havel, ist jetzt 41. Barbara Richstein, ehemalige Justizministerin ist bei der Landtagswahl gegen den SPD-Granden und Platzeck-Intimus Rainer Speer angetreten – und hat ihn abgehängt. Auch ihre Ambitionen dürften weit über das Opponieren im Rechtsausschuss hinausgehen. Da kann sich Johanna Wanka ausrechnen, dass sie mit ihren 58 Jahren eine Übergangschefin ist.

Und dann? Die Brandenburger CDU wird sich die eher geringe Aufmerksamkeit des Publikums für die Opposition mit den Liberalen und den Grünen teilen müssen. Immerhin dürfte Johanna Wanka auf Dauer mit der These richtig liegen, dass Platzeck „die Mitte geräumt“ habe, indem er „die Täter von damals an den Tisch geholt“ habe. Wenn Wanka erzählt, was sie in der DDR und mit der Stasi erlebt hat, bekommt ihre Enttäuschung von Platzeck eine neue, persönliche Dimension. Sie will den Schlussstrich nicht, den Platzeck zieht. Aber: Bewegt der Groll auf die Täter der DDR die Brandenburger? Wird es sie übermorgen bewegen? Es gehört zu den Eigenarten in der Mark, dass viele hier mit nachholender DDR-Kritik nichts anfangen können. Man will es mit den Geschichtsdebatten nicht übertreiben.

Dass die CDU die Mitte für sich reklamieren solle, ist einem wie Sven Petke zu wenig. In ihm steckt noch viel zu viel Generalsekretär, um darauf zu warten, dass Platzecks rot-rote Truppe Vorlagen für kritische Erklärungen liefert. Petke will Akzente setzen, sagen, „wohin Brandenburg sich in zehn oder zwanzig Jahren entwickeln soll“. Dazu müsse man vorpreschen - „wir sind die bürgerliche Opposition und besetzen den Platz, den die SPD aufgegeben hat“, sagt er, „wir vertreten die Leistungsträger der Gesellschaft“. Bildung, Kinderbetreuung, frauenfreundliche Politik – alles kein Problem, bloß kein Schönbohmscher Wertkonservatismus, der die Herzen der Brandenburger nicht erreicht. Aber wie das so ist mit den Ideen dahinter: Sie wollen dargestellt werden in der Politik. Es wird nicht lange dauern, bis die Suche nach einem Hauptdarsteller in der Brandenburger CDU neu beginnt. Werner van Bebber

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