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Brandenburgs erste Diktaturbeauftragte Ulrike Poppe war früher DDR-Oppositionelle.

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Brandenburgs Diktaturbeauftragte: „Der Deckel ist ein wenig gelüftet“

Brandenburgs erste Diktaturbeauftragte Ulrike Poppe attestiert dem Land einen veränderten Umgang mit seinem Stasi-Erbe. Poppe berät Stasi-Opfer und politisch Verfolgte des SED-Regimes.

Die Diktaturbeauftragte und frühere DDR-Oppositionelle Ulrike Poppe attestiert dem Land Brandenburg einen offeneren Umgang mit dem Stasi-Erbe. „Der Deckel ist ein wenig gelüftet. Eine Veränderung im gesellschaftlichen Klima zeichnet sich ab“, sagte Poppe am Dienstag anlässlich einer Einjahresbilanz ihrer Arbeit. Sie erinnerte daran, dass es „ein angestautes Unbehagen über Aufarbeitungsdefizite“ gegeben habe, als sie im Dezember 2009 nach den rot-roten Stasi-Enthüllungen um Linke-Politiker wie Fraktionschefin Kerstin Kaiser einstimmig in ihr Amt gewählt wurde. Im Rückblick sieht Poppe dieses Votum nüchterner, da die offene Abstimmung sie schon etwas an die DDR-Volkskammer erinnert habe. „Da haben sich einige nicht getraut, bei Nein den Arm zu heben.“ Poppe ist die erste Diktaturbeauftragte, da Brandenburg im Gegensatz zu den anderen Ostländern nach 1990 keinen Stasi-Beauftragten berief.

Dass sich im Land, das einst als „kleine DDR“ galt, etwas ändert, stellen Poppe und ihr bisher sechsköpfiges Team in vielerlei Hinsicht fest. Nach der inzwischen erfolgten ersten Stasi-Überprüfung im Landtag seit 1991 hat es eine Welle von Überprüfungen kommunaler Parlamente gegeben, was sich in den rasant gestiegenen Antragszahlen bei der Berliner Stasi-Unterlagenbehörde niederschlägt. Dort habe es noch 2008 aus Brandenburg weniger als 100 Anträge dieser Art gegeben, bis Mai sei diese Zahl auf 1200 gestiegen, hieß es. Und von bundesweit insgesamt 42 Mitgliedern von Landesregierungen, die auf eine Zusammenarbeit mit dem DDR-Geheimdienst überprüft wurden, kamen allein 22 aus Brandenburg.

Poppe zeigte sich auch überrascht von der großen Zahl der Einladungen, die sie zu Auftritten im Land erhält. Dies zeige, wie groß das Interesse an einer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit sei, sagte sie. „Ich habe das in diesem Maße nicht erwartet.“ Ein Schwerpunkt der Arbeit der Diktaturbeauftragten bleibt die Beratung von Stasi-Opfern und politisch Verfolgten des SED-Regimes. „Der Bedarf ist nach wie vor sehr hoch“, sagte Poppe. Seit ihre kleine Behörde im März arbeitsfähig geworden sei, hätten die Mitarbeiter mehr als 250 Menschen intensiv beraten und begleitet, etwa in Rehabilitierungsverfahren. Rund 150 Bürger erhielten eine einmalige Beratung. Im kommenden Jahr will die Poppe-Behörde zudem einige thematische Schwerpunkte setzen, nämlich den 50. Jahrestag des Mauerbaus, die Erforschung der Spezialheime der DDR-Jugendhilfe und die Dokumentation von Zeitzeugenberichten zu Repressions- und Widerstandserfahrungen von Brandenburgern. Parallel muss nun die von Poppe geleitete Überprüfungskommission des Landtages die Stasi-Fälle bei den Linken bewerten. Dabei werde einfließen, sagte sie, „wie sich Betroffene nach der Wende verhalten haben“.

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