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Brandenburg: Bunkermord-Prozess: "Sagen Sie uns, wo Julia geblieben ist"

Andreas S. hat Angst vor den Angeklagten - auch noch im Gerichtssaal.

Andreas S. hat Angst vor den Angeklagten - auch noch im Gerichtssaal. Im so genannten Bunkermordprozess sagte gestern der 23-jährige Stiefbruder der ermordeten Heidi F. als Zeuge aus. Vor der Ermordung seiner Stiefschwester wurde Andreas S. selbst zwei Mal zum Opfer der beiden Angeklagten Stephan T. und Ronny S. Den zweiten Überfall überlebte er nur knapp.

Kennen gelernt hat Andreas S. den 18-jährigen Stephan T. zusammen mit seiner Stiefschwester zufällig in der Straßenbahn. Von da an unternahmen die drei einiges gemeinsam, wobei es auch zu lautstarken Auseinandersetzungen in der Wohnung der 26-jährigen Heidi F. kam. Weil der Stiefbruder angeblich über eine Verhaftung von Stephan T. "gequatscht" haben soll, kam es zu den beiden Strafaktionen. Dabei wurde Andreas S. in den Wald gelockt und dort zusammengeschlagen. Bei der zweiten Attacke sollen die beiden Angeklagten ihr bewusstloses Opfer in einen Bach geworfen haben. Der Mann überlebte jedoch mit schweren Verletzungen im Hals- und Nackenbereich. Einen Arzt suchte er trotz der Bitte seiner Mutter nicht auf, da er Angst vor der Rache der Täter hatte: "Wochenlang konnte ich nicht richtig reden und nur Suppe essen." Bei der Befragung durch den Vorsitzenden Richter und die Staatsanwaltschaft wirkte Andreas S. verunsichert. Nur wenn es um Stephan T. geht, spricht der Zeuge verhältnismäßig frei. Sobald er die Taten des 27-jährigen Angeklagten schildern soll, wird er unruhig und kann sich nicht mehr erinnern.

Nur zögernd bestätigt er hier die Aussagen, die er im August vergangenen Jahres bei der Polizei machte. Das mag daran liegen, dass er die Ereignisse "am liebsten vergessen möchte" - allerdings eben vor allem die um die Taten von Ronny S. Ganz offensichtlich hat er Angst vor der Rache der Täter: "Die haben ja noch Freunde, die frei sind." Doch trotz ernsthaften Bemühens des Vorsitzenden Richters Dr. Przybilla konnten die Ursachen für die Ängste des Zeugen nicht detailliert geklärt werden. Auf eine Vereidigung von Andreas S. wurde verzichtet.

Den Straftaten gegen den 23-Jährigen, um die es heute vor allem ging, folgte dann der Mord an seiner Stiefschwester. Um Heidi F. daran zu hindern, gegen die Angeklagten Anzeige wegen verschiedener Straftaten zu erstatten, fuhren sie gemeinsam mit ihr zur Bunkeranlage Göttin und verletzten die 26-jährige Frau mit Fußtritten, Faustschlägen und Messerstichen. Stephan T. und Ronny S. sollen dann Feuer gelegt und die Tür verkeilt haben. Das Opfer starb wenig später auf Grund der Verletzungen und an Unterkühlung. Der 29-jährige Mitangeklagte Thomas P. soll währenddessen "Schmiere" gestanden haben.

Nach der Vernehmung des Zeugen fragte Richter Przybilla noch einmal eindringlich nach dem Verbleib der dreijährigen Tochter der Ermordeten: "Sagen Sie uns, wo Julia geblieben ist." Auch wenn alle drei Angeklagten eine Tatbeteiligung eingeräumt haben, so will keiner etwas mit dem Verschwinden des Kindes zu tun haben. Stephan T. hat angegeben, dass er sich nach dem Tod der Mutter noch einige Wochen um Julia gekümmert habe. Dann sei ihm die Sorge um das Kleinkind zu viel geworden, und er habe diese an Ronny S. weitergeben wollen. Der habe in seiner Abwesenheit das Kind getötet, den Körper in ein Leintuch eingeschlagen, in eine Reisetasche gepackt und diese dann in einer Mülltonne entsorgt. Der Leichnam des kleinen Mädchens wurde noch nicht gefunden. Doch trotz des klärenden Hinweises durch den Richter, dass Angaben zum Verbleib von Julia die Beweisaufnahme erleichtern und sich damit auch zu Gunsten der Angeklagten auswirken könnten, schwiegen diese bei der gestrigen Vernehmung eisern.

Mit dem Tod eines Kindes will keiner zu tun haben. Richter Przybilla wird an jedem der kommenden zehn Verhandlungstage aufs Neue nach Julia fragen, immer in der Hoffnung, dass einer der drei Täter doch noch sein Schweigen bricht. Der Prozess wird am kommenden Montag fortgeführt.

Simone Leinkauf

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