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Brandenburg: Chipfabrik: Der letzte Rettungsversuch

Investoren wollen kleiner anfangen, damit Bund und Land doch noch eine Bürgschaft geben. Sonst zahlen die Scheichs in Kürze nicht mehr

Potsdam/Frankfurt (Oder). Mit einem letzten Rettungsversuch will die Communicant AG offenbar die Chipfabrik in Frankfurt (Oder) vor der Insolvenz retten – schlägt dieser fehl, geht die unendliche Geschichte des Projektes vermutlich schon in den nächsten Tagen zu Ende. Communicant teilte gestern überraschend mit, dass der Business-Plan für das Milliarden-Projekt gemeinsam mit dem US-Marktforschungsinstitut Gartner überarbeitet worden sei. Vorgesehen ist nun offenbar ein am Markt orientierter stufenweiser Ausbau. Damit soll der Bürgschaftsausschuss von Bund und Land umgestimmt werden, der bislang eine beantragte Staatsbürgschaft über 650 Millionen Euro nicht genehmigen will.

Für das Unternehmen drängt die Zeit. Nach Informationen aus der Landesregierung sollen der Communicant AG schon in wenigen Tagen die Geldmittel ausgehen. Die nächste „Baurate“ des Hauptinvestors Dubai wäre am morgigen 5. November fällig. Doch das Emirat will die dringend benötigten Gelder nur überweisen, wenn Bund und Land für das 1,3-Milliarden-Dollar-Projekt zur Hälfte bürgen. Über diese Staatsbürgschaft wird seit Monaten ohne jedes Ergebnis verhandelt.

In der Landesregierung bewertet man die Lage bei Communicant als „ernst“. Wie es heißt, soll das Unternehmen Rechnungen nicht bezahlen und Lieferanten abweisen. Auch die dem Institut für Halbleiterphysik (IHP) in Frankfurt (Oder) von Communicant überlassenen komplizierten Anlagen zur Entwicklung und Erprobung der Hochleistungs-Chips seien bislang nur teilweise bezahlt. Communicant soll bei Ausrüstern noch mit Millionen in der Kreide stehen. Nach anderen Berichten sollen ausländischen Spezialisten wegen der kritischen Finanzlage Zusatzleistungen gekürzt worden sein.

Vor diesem Hintergrund drängt die Landesregierung auf eine kurzfristige Sitzung des interministeriellen Bürgschaftsausschusses noch in dieser Woche. Immerhin ist das Land über eine Gesellschaft selbst mit rund 40 Millionen Dollar an der Fabrik beteiligt. Die Sorge ist nun groß, dass die Insolvenz ohne eine grundsätzliche Zustimmung des Ausschusses nicht mehr abgewendet werden kann. „Wenn Dubai nicht zahlt, muss der Vorstand handeln“, sagte ein Kabinettsmitglied gestern.

Hingegen ist die Bundesregierung nach Tagesspiegel-Informationen bislang nicht geneigt, überstürzt eine folgenschwere Entscheidung zu treffen. In der Landesregierung glaubt man deshalb, dass die zuständigen Bundesministerien für Wirtschaft und Finanzen auf den „natürlichen Tod“ der Chipfabrik setzten. Ein Kabinettsmitglied: „Die Insolvenz von Communicant wäre für den Bund die einfachste Art und Weise, sich das leidige Problem vom Hals zu schaffen.“

Andererseits verweisen informierte Bundesbeamte darauf, dass auch die Finanz- und Wirtschaftsministerien Brandenburgs im Bürgschaftsausschuss vertreten sind und bislang alle Beschlüsse einstimmig gefasst worden seien. Auf seiner letzten Sitzung im Oktober hatte der Ausschuss dem Projekt wegen der nicht erfüllten formalen „Eckpunkte“ für die Bürgschaft und wegen der nicht gegebenen „wirtschaftlichen Tragfähigkeit“ aus haushaltsrechtlichen Gründen eine Absage erteilt. Die Mitglieder stützten sich auf ein Gutachten des US-Marktforschungsinstitutes Gartner, das die bisherige Dimension des Projektes als „unrealistisch“ bezeichnet.

Nach dem überarbeiteten Businessplan ist nun ein stufenweiser Ausbau vorgesehen, also eine anfangs kleinere Lösung, wie sie Gartner vorschlägt. Allerdings wären die Bedenken des Bürgschaftsausschusses nach Insider-Informationen durch den neuen Geschäftsplan nur teilweise ausgeräumt.

Die Vorbehalte zur Finanzkonstruktion und der Höhe der Staatsbürgschaft bestünden nach wie vor. Ein denkbarer Kompromiss könnte darin bestehen, angesichts des abgespeckten Projektes mit einer geringeren Bürgschaft zu beginnen und diese dann stufenweise zu erhöhen und an Auflagen zu knüpfen. In Potsdam geht man davon aus, dass Dubai in diesem Falle die dringend nötige nächste Baurate zahlt und eine Insolvenz so fürs erste abgewendet ist. Die Entscheidung dürfte jedoch erst nach dem 5. November fallen.

Angesichts des Zeitverzuges von fast zwei Jahren drängt auch der ebenfalls an Communicant beteiligte US-Chiphersteller Intel auf eine schnelle Entscheidung. „Das Risiko steigt mit jedem Tag“, so Deutschland-Chef Günther Jünger zum Tagesspiegel.

Michael Mara

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