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Brandenburg: Chipfabrik – statt Prestige nur Panik

Die Banken glauben nicht mehr daran, dass sie Investoren für die Fabrik an der Oder finden. Damit sinken die Chancen auf den Bau dramatisch

Von Michael Mara

und Thorsten Metzner

Frankfurt (Oder)/Potsdam. Entsetzen, Aufregung, erste Schuldzuweisungen: Im Landtag lösten die jüngsten Hiobsbotschaften, wonach sich die Commerzbank und die Gulf Bahrein Bank Ende Februar aus dem Projekt der Chipfabrik in Frankfurt (Oder) zurückziehen wollen, am gestrigen Mittwoch kontroverse Reaktionen aus. „Nur noch ein Wunder kann die Chipfabrik retten“, sagte der SPD-Abgeordnete Christoph Schulze. Ein CDU-Kollege: „Jetzt hilft nur noch beten.“ Dem Vernehmen nach sind die Banken, die die für das 1,3 Milliarden-Dollar-Projekt benötigten Fremdkredite in Höhe von 650 Millionen Dollar beschaffen sollen, bisher keinen Schritt weiter gekommen. Und das, obwohl Bund und Land 80 Prozent der Summe verbürgen würden. Das wirft viele Fragen auf. Ein Überblick:

Ist das Projekt gestorben?

Es sieht ganz so aus, auch wenn es noch niemand offen auszusprechen wagt. In informierten Kreisen glaubt man nicht, dass den Banken in den verbleibenden vier Wochen der Durchbruch gelingen wird. „Warum sollte jetzt gelingen, was in zwei Jahren nicht gelang“, heißt es. Auffällig sei auch das Schweigen der Banken, „die nicht den kleinsten Fortschritt signalisieren könnten“. Weiteres Problem: Die Fabrik, die die Communicant AG bauen und betreiben will, soll auch für Dritte produzieren. Dies bedeutet aus Sicht der Banken ein höheres Risiko, da der Absatz nicht gesichert ist. Außerdem ist das Projekt aus Bankensicht zu sehr in die Negativ-Schlagzeilen gekommen. Außerdem schrumpft der technologische Vorsprung, den das staatliche Institut für Halbleiterphysik IHP mit neuen Chips hat.

Was könnte die Fabrik retten?

Der Knackpunkt sind 130 Millionen Dollar: Da Bund und Land für 80 Prozent des benötigten Fremdkapitals von 650 Millionen Dollar bürgen, geht es um das Risiko für den Rest. Die Banken sind nicht bereit, es zu übernehmen, wie Communicant-Vorstandschef Abbas Ourmazd bestätigt hat. Bleiben nur das Emirat Dubai, mit 250 Millionen Dollar Hauptfinanzier der Chipfabrik, und der US-Konzern Intel, der ebenfalls Gesellschafter der Communicant AG ist. Intel dürfte kaum dazu bereit sein: Den eigenen 40-Millionen-Anteil lässt sich Intel bereits jetzt in Jahresraten von acht Millionen Dollar als Lizenzgebühr zurückzahlen. Dubai hat großes Interesse an der Fabrik in Frankfurt (Oder), weil die Communicant AG im Gegenzug eine zweite im Emirat bauen soll.

Was machten die Banken?

Die Chipfabrik ist auch ein Misserfolg der Banken: Zunächst sollte Anfang 2001 ein Schweizer Bankenkonsortium die Finanzierung – damals war von 285 Millionen Dollar die Rede – über einen Fonds sicherstellen. Dann brachte Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) am 1. Juni 2001 die Deutsche Bank ins Geschäft: Sie wollte sogar selbst als Investor einsteigen, tatsächlich zog sie sich ein Jahr später aus dem Projekt zurück. Im Sommer 2002 beauftragte Communicant Commerzbank und Gulf Bahrein Bank, die je zur Hälfte die benötigten 650 Millionen Dollar besorgen sollten. Auch wenn offiziell Stillschweigen bewahrt wird, ist das interne Banken-Urteil über das Management bei Communicant verheerend. Theoretisch könnte ab Februar noch eine neue Bank einspringen. Doch sind Bankenkenner überzeugt, dass sich kein weiteres Institut die Finger verbrennen werde.

Woher kommt die Krise?

Das Projekt, vom damaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) zur Chefsache erklärt, litt von Anfang an unter Missmanagement und ständigen Negativ-Schlagzeilen: Der Bau der Chipfabrik wurde am 6. Februar 2001 vom damaligen Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß (CDU) als bis dahin größter Ansiedlungserfolg des Landes vorschnell verkündet, obwohl die Finanzierung nicht gesichert war. Angeblich geschah dies auf Druck von Intel, um den eigenen Aktienkurs zu verbessern. Schon wenige Wochen später warnte Finanzministerin Dagmar Ziegler (SPD) vor unkalkulierbaren Risiken für die öffentliche Hand, dennoch stieg das Land selbst mit einer 38-Millionen-Einlage ein. Bei der Communicant AG, einem Startup-Unternehmen, ging es drunter und drüber: Die Vorstandschefs Klaus Wiemer und Dirk Obermann mussten auf Betreiben des damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden und IHP-Direktors Abbas Ourmazd gehen. Ourmazd, ein Wissenschaftler, ist als neuer Vorstandschef umstritten.

Wo bleibt die Technologie?

Eine Antwort ist schwierig, die Meinungen im politischen Raum gehen auseinander. Der Forschungs- und Entwicklungsvertrag der Communicant AG mit dem IHP-Institut ist noch nicht unterzeichnet. Er sieht dem Vernehmen nach vor, dass die Forschungsergebnisse bei einer möglichen Insolvenz von Communicant nicht an Dritte verkauft werden dürfen. Ob Communicant diese Auflage akzeptiert und den Vertrag so unterschreibt, ist bisher nicht bekannt. In Koalitionskreisen wird befürchtet, dass bei einer Insolvenz von Communicant die Technologie aus der Konkursmasse von Dubai aufgekauft werden könnte, um den Grundstein für eine eigene Fabrik im Land zu legen.

Was bewirkt der Flop im Land?

PDS-Wirtschaftsexperte Ralf Christoffers steht mit seiner Meinung nicht allein, wenn er sagt, die Pleite der Chipfabrik wäre der „industrielle Super-Gau“ für das Land, die Folgen seien nicht auszudenken. Das Gezerre um die Chipfabrik wird in Wirtschaftskreisen bereits jetzt als „verheerendes Signal für den Investitionsstandort Brandenburg“ angesehen. Ein Scheitern würde sich nahtlos in die lange Liste von Investitionsruinen im Land einreihen: Lausitzring, Cargolifter und die Militärstadt in Wünsdorf - alles einst Prestigeprojekte des früheren Ministerpräsidenten und heutigen Superministers Manfred Stolpe. Eine Pleite der Chipfabrik könnte das staatliche IHP-Vorzeigeinstitut, das direkt an Communicant beteiligt ist, mit in den Strudel reißen.

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