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Chronik: Rückblick 2009: Bagger, Stunk und alte Orden

Ein Rückblick auf Nachrichten, die 2009 jenseits der Landespolitik Schlagzeilen machten.

Potsdam – Buddelei extrem: Anfang Februar machte die Berliner Polizei das kleine Schildow kurz hinter der nordöstlichen Stadtgrenze Berlins zum Schauplatz einer spektakulären Aktion. Sie rückte in Mannschaftsstärke auf einem Villengrundstück in der Bahnhofstraße an und buddelte drauflos. „Wir suchen eine vor zwölf Jahren hier vergrabene Leiche“, sagte der Polizeisprecher, der damit eine Invasion von Reportern und Kamerateams in den beschaulichen Vorort auslöste. Denn die Geschichte klang spektakulär. Ein Inhaftierter hatte der Polizei gebeichtet, dass er hier zu Silvester 1996/97 die Leiche eines Berliner Türstehers versteckt haben will, und das unter dem Fundament der Villa, die damals noch im Bau war. Vor Ort zeigte er der Kripo die vermeintliche Stelle.

Die anfangs für wenige Stunden geplante Suche entwickelte sich zu einer vierwöchigen Aktion, an deren Ende sowohl der Villenbesitzer als auch dessen Nachbarfamilie ihre Grundstücke nicht mehr wiedererkannten. Da die Polizei nie an der Glaubwürdigkeit des Tippgebers zweifelte, ließ sie das Technische Hilfswerk anrücken und später eine Baufirma mit schwerer Technik. Spürhunde kamen zum Einsatz, und als die Leiche immer noch nicht gefunden war, orderte die Poliziste mehrmals Spezialisten mit modernstem Georadar. Sie fanden dann auch tatsächlich „Unregelmäßigkeiten“. Rings um die Villa wichen ein Pavillon, ein Gartenteich, Hecken, mehrere hohe Kiefern unter der Baggerschaufel. Die Journalisten richteten unter dessen im leer stehenden Erdgeschoss ein Pressezentrum ein und bescherten der gegenüberliegenden Bäckerei das Geschäft des Jahrzehnts. Der Tippgeber unterbrach noch durch weitere Ausflüge nach Schildow seinen Knastalltag und gab immer neue Stellen an, wo er angeblich den 140 Kilogramm schweren Türsteher verbuddelt hatte. Anfang März gab die Polizei entnervt auf, um im Mai noch einmal an einer anderen Hausseite zu suchen – vergeblich. Der Einsatz dürfte einige Hunderttausend Euro gekostet haben, die Kosten für die Wiederherstellung der beiden Grundstücke eingeschlossen.

Um viel Geld geht es auch im kleinen Briest in der Nähe der Havelstadt Brandenburg. Das restliche Vermögen eines nach dem Bau eines Neubauviertels in die Pleite gerutschten Investors sollte im August versteigert werden. Für die zuständige Amtsverwaltung war der Termin vor dem Amtsgericht Potsdam nur ein Routinevorgang. Für einen Euro sollten zwei von der Amtsdirektorin beauftragte Mitarbeiterinnen die 500 Meter lange Straße „ersteigern“. Doch im Gerichtssaal saß zur allgemeinen Verwunderung ein Mann , der für die bewusste Straße 100 Euro bot und prompt den Zuschlag erhielt. Der Berliner Dolmetscher Wassim Saab hatte den entscheidenden Tipp vom Investor selbst erhalten und wittert nun das große Geschäft. 387 500 Euro will er beim Wiederverkauf an die Gemeinde haben, da der tatsächliche Wert der Straße so hoch liegt. Die Gemeinde will die Blamage mit höchstens 1300 Euro aus der Welt schaffen. Saab aber lehnt das Angebot aus Auktionssumme, Auslagen und Zinsen als „lächerlich“ ab. Nun entscheiden die Gerichte.

Die wird möglicherweise auch die Messerschmittstiftung anrufen, um für reine Luft im kleinen Meseberg nördlich Berlins zu sorgen. Dort hat sie für mehrere Millionen Euro das heruntergekommene Schloss in ein Schmuckstück verwandelt und es der Bundesregierung als Gästehaus verpachtet. Viele Staatsbesucher und das Bundeskabinett selbst waren schon zu Gast. Doch diesen Sommer hat ein Landwirt die örtliche Schweinemastanlage reaktiviert, sodass nun ab und zu Landluft durch Meseburg weht. Der zuständige Amtsdirektor sah sich sehr zum Ärger des Stiftungschefs nicht in der Lage, die Geruchsquelle zu verhindern.

So mancher rümpfte auch die Nase über die Affäre, die sich der Prenzlauer Bürgermeister im Sommer leistete: Hans-Peter Moser von der Linkspartei hatte eine Blanko-Urkunde mit SED-Honeckers vorgedruckter Unterschrift aufgetan, die zu DDR-Zeiten für den Orden „Banner der Arbeit, Stufe I“ verwendet wurde. Samt Original-Orden überreichte er sie dem parteilosen Kulturamtsleiter öffentlich als Dank für dessen Einsatz beim Jubiläum zum 775. Stadtgeburtstag. Und weil Honecker ja nicht mehr lebt, hatte der Bürgermeister noch ein „i.V. Moser“ hinzugesetzt. Während SPD und CDU von „Beleidigung“ und „Geschmacklosigkeit“ sprachen, entschuldigte sich Moser für den „missglückten Scherz“. Moser sollte es bald darauf wie Honecker ergehen: Er wurde abgesetzt. Allerdings ganz demokratisch. Bei der Wahl am 27. September reichten die Stimmen der DDR-Nostalgiker nicht.

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