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Brandenburg: Cottbuser Rathaus-Krise: "Es ist gefährlich, Dinge korrekt zu handhaben"

Die Cottbuser Rathaus-Krise erreicht heute ihren vorläufigen Höhepunkt: Die Stadtverordneten entscheiden auf Antrag von Oberbürgermeister Waldemar Kleinschmidt (CDU) über die Abwahl der SPD-Beigeordneten Gisela Kraft (Bau) und Karin Rätzel (Finanzen). Sollte Kleinschmidt mit seinen Abwahlanträgen scheitern, dürfte auch sein eigener Stuhl wackeln.

Die Cottbuser Rathaus-Krise erreicht heute ihren vorläufigen Höhepunkt: Die Stadtverordneten entscheiden auf Antrag von Oberbürgermeister Waldemar Kleinschmidt (CDU) über die Abwahl der SPD-Beigeordneten Gisela Kraft (Bau) und Karin Rätzel (Finanzen). Sollte Kleinschmidt mit seinen Abwahlanträgen scheitern, dürfte auch sein eigener Stuhl wackeln. Der Oberbürgermeister, der auch Präsident des Städte- und Gemeindebundes ist, gilt nicht nur wegen des völlig zerrütteten Verhältnisses innerhalb der Rathaus-Spitze als geschwächt. Der Cottbuser Baufilz-Skandal bringt ihn zusätzlich unter Druck. Dennoch schloss Kleinschmidt am Dienstag gegenüber dem Tagesspiegel einen Rücktritt für den Fall aus, dass die Abwahlanträge nicht die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit finden sollten.

Cottbus ist ein klassisches Beispiel dafür, wie schnell das Image einer Stadt im Osten und ihrer maßgeblichen Politiker umschlagen kann: Im Gegensatz zum vom "Spiegel" einst als "Jammerhauptstadt" abgekanzelten Potsdam galt Cottbus jahrelang als "Stadt des Aufbruchs" und Kleinschmidt als "cooler Macher". Sein Credo: "Wir müssen schneller sein als andere, denn Cottbus liegt am Rande Brandenburgs." So richtete die Stadt kurz entschlossen die Bundesgartenschau 1995 aus, die ihr einen spürbaren Auftrieb und positive Schlagzeilen brachte. Nachdem jahrelang das Geld reichlich floss und mächtig "geklotzt" wurde, schlug der Trend nach der BUGA schnell um: Investoren blieben aus, die Arbeitslosigkeit wuchs, der Leerstand in den Plattensiedlungen nahm wegen der dramatischen Stadtflucht Tausender Cottbuser genau so schnell zu wie das Loch in der Stadtkasse.

In die Negativ-Schlagzeilen kam Cottbus allerdings durch "hausgemachte RathausProbleme": die heftigen Personalquerelen an der Spitze, die zur Lähmung der Stadtpolitik führten. Vor allem die beiden jetzt auf der Abwahlliste stehenden Beigeordneten sprachen Dinge aus, die ihnen inner- und außerhalb der Stadtverwaltung übel genommen wurden: Die 1993 aus Süddeutschland nach Cottbus gekommene Bau-Beigeordnete Gisela Kraft (SPD) erregte mit Äußerungen über den "Anti-Wessi-Rassismus" in der Stadt bundesweit Aufsehen. Und die FinanzBeigeordnete Karin Rätzel, eine Cottbuserin, geißelte öffentlich die "mafia-ähnlichen Strukturen" in Cottbus. Beide gelten als "Störenfriede", "Unruhestifter" und "Nestbeschmutzer", obwohl der in den letzten Wochen hochgekochte Filz-Skandal der örtlichen Presse fast täglich neue Schlagzeilen liefert und einen Teil der Vorwürfe bestätigte. Die Industrie- und Handelskammer Cottbus warnte angesichts der Korruptionsvorwürfe gestern vor einer "nachhaltigen, nicht mehr auszugleichenden Beschädigung des Wirtschaftsstandortes Cottbus".

Die Vorwürfe richten sich vor allem gegen die kommunale Gebäudewirtschaft GWC, die bei der Auftragsvergabe "alte Seilschaften" bevorzugt haben soll. So deckte das ORB-Magazin "Klartext" letzte Woche auf, dass der frühere Stasi-Mann Helmut Rauer von seinen guten Kontakten zu den inzwischen suspendierten GWC-Geschäftsführern Günter Thiessat und Joachim Käks profitierte. "Klartext" wies außerdem nach, dass das lokale Stadtfernsehen von diesen Seilschaften beherrscht wird. So nimmt es auch nicht Wunder, dass sich das Stadtfernsehen nicht an der Aufklärung des Filzes beteiligte, dafür Rechtfertigungserklärungen der Ex-GWC-Geschäftsführer sendete. Dennoch werden fast täglich neue Einzelheiten über Verwicklungen und Verquickungen bekannt: So sollen von den GWC-Geschäftsführern "an der Stadt vorbei" dubiose Grundstückstransaktionen abgewickelt worden sein. Die Staatsanwaltschaft und ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen befassen sich jetzt damit.

Gegenüber dem Tagesspiegel sagte Kraft, dass sie Kleinschmidt schon im Sommer auf Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge durch die Stadt und die Gebäudewirtschaft hingewiesen und eine Innenrevision verlangt habe. "Es gab keine Reaktion." Hingegen behauptet Kleinschmidt, die Beigeordneten hätten sich "erst jetzt auf den Zug" gesetzt. Bezeichnend für den allgemeinen Wirrwarr sind die widersprüchlichen Informationen aus Rathaus und Stadtparlament über Interessen und Gemengelagen. Keine Fraktion wagte eine Prognose, wie die heutige Abstimmung über die Abwahlanträge ausgehen wird. Nur Kraft rechnet "felsenfest" mit ihrer Abwahl: Es sei in Cottbus so gefährlich, die Dinge korrekt zu handhaben, "dass ich weg muss".

Der Beigeordneten Rätzel werden dagegen Chancen eingeräumt, obwohl sich selbst SPD-Fraktionschef Reinhard Drogla für die Abwahl der beiden sozialdemokratischen Frauen aussprach. Anders als Kraft hat Rätzel sich in den letzten Tagen und Wochen mit öffentlicher Schelte an der Stadtpolitik zurückgehalten. Außerdem sei sie Cottbuserin, heißt es. SPD-Mann Drogla wies allerdings darauf hin, dass die Abwahl nur der erste Schritt sein könne. Notwendig sei eine grundlegende Reform der Cottbuser Rathaus-Strukturen. Es sei die Frage, ob die gegenwärtige Rathaus-Spitze dazu noch in der Lage sei. Auch Kraft, die von einem "System gegenseitiger Abhängigkeiten" spricht, fordert: "Die Rathaus-Führung muss komplett weg." Um die Stadt wieder nach vorn zu bringen, seien neue Leute und neue Strukturen nötig. "Cottbus braucht eine Katharsis." Oberbürgermeister Kleinschmidt meint dazu: "Wenn man mich nicht mehr will, muss man ein Abwahlbegehren gegen mich einleiten."

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