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Reaktor im Naturschutzgebiet. Das Kernkraftwerk Rheinsberg wurde 1990 abgeschaltet.

© Thilo Rückeis

Das Erbe der Atomenergie: Wo die DDR bis heute strahlt

Das Kernkraftwerk Rheinsberg wurde 1990 abgeschaltet - doch der Rückbau ist immer noch nicht abgeschlossen. In den nächsten 30 Jahren soll die Anlage "in Ruhe abklingen". Kosten bisher: 440 Millionen Euro.

Menz - Das Straßenschild kurz hinter dem Friedensplatz des kleinen Ortes Menz weist den Weg noch immer zum „Kernkraftwerk Rheinsberg“. Wer der gut vier Kilometer langen Betonpiste durch den Wald folgt, passiert zunächst ein offen stehendes Tor mit Friedenstauben in beiden Flügeln und landet 200 Meter weiter an einer bewachten Sperre. Hier ist Schluss für unangemeldete Besucher. Obwohl das Kraftwerk am Stechlinsee vor fast 21 Jahren die letzte Kilowattstunde Strom lieferte und sich der Reaktorbehälter seit dem Herbst 2007 im Zwischenlager Lubmin bei Greifswald befindet, gelten hier noch immer die strengen Sicherheitsbestimmungen für Atomanlagen.

Ein Angestellter auf dem Parkplatz vor dem Tor bestätigt die nach wie vor aufwendige Prozedur. „Alle Arbeiter müssen sich bis auf das letzte Hemd ausziehen und in firmeneigene Unterwäsche, Strümpfe, Schuhe, Overalls und Handschuhe schlüpfen“, sagt er. „Erst nach gründlichem Duschen und einer Überprüfung in einer Schleuse darf man wieder in seine Kleidung steigen.“

Auch zwei Jahrzehnte nach Stilllegung der Anlage bleibt die Lage kompliziert. „Eine reale Gefahr für Leib und Leben besteht längst nicht mehr“, bestätigt die Betriebsleitung. „Aber die gesetzlichen Bestimmungen zwingen uns nach wie vor zu solchen Sicherheitsvorkehrungen.“ Und sie zeigen, wie langwierig selbst der Rückbau eines vergleichsweise kleinen Kernkraftwerks ist. Der Rheinsberger Reaktor schaffte nur eine Leistung von 70 Megawatt, gerade genug, um eine Stadt wie Potsdam mit Strom zu versorgen. Die jetzt in Japan betroffenen Anlagen produzierten mehr als 600 Megawatt.

Dennoch ist der Aufwand enorm. Die Demontage des 1966 in Betrieb genommenen ersten deutschen Kernkraftwerkes sowjetischer Bauart kostet den Steuerzahler 420 Millionen Euro. Dabei fallen 330 000 Tonnen Material an, davon 40 000 Tonnen radioaktiv belastet. Ende 2013 – 18 Jahre nach dem Beginn der Arbeiten – soll der Abbau beendet sein.

Wie es hier danach weitergeht, ist unklar. Von dem kurz nach Wende euphorisch verkündeten Ziel einer „grünen Wiese“ ist heute in Rheinsberg und Umgebung keine Rede mehr. Schon aus finanziellen Gründen soll beispielsweise das Reaktorgebäude inmitten eines Naturschutzgebietes nach dem Willen der Betriebsleitung jetzt nicht beseitigt werden, sondern 30 Jahre in Ruhe abklingen. Für das in sicherer Entfernung befindliche Bürogebäude gibt es mehrere Vorschläge zur Nutzung durch Umweltforschungsinstitute und Energiefirmen.

Bislang trauerten die Rheinsberger dem Ende des Kraftwerkes nach – von den einst 680 Arbeitsplätzen sind heute noch 150 geblieben. Seit den Ereignissen in Japan hat sich die Stimmung gedreht. „Wir sind froh, dass wir das Kernkraftwerk endlich los sind“, sagt die Verkäuferin in der rollenden Landfleischerei vor der Kirche. Ihre vorwiegend älteren Kunden an der Dorfstraße stimmen zu. „Vielleicht können die Japaner ja von uns lernen, wie man so ein Ding zerlegt“, sagt ein Mittsechziger, der selbst einst im Werk arbeitete.

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