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Brandenburg: Das Geheimnis des Preußenprinzen

Geschichte ist aufregender als Drogen: Ein Psychologe begeistert Jugendliche für historische Forschungen

Von Sandra Dassler

Rheinsberg - Für die meisten scheint klar, was die abgebrochene Pyramide im Park von Schloss Rheinsberg zu bedeuten hat: Mehrere Generationen von Schlossführern haben das Grabmal von Prinz Heinrich von Preußen als Symbol des „nicht vollendeten Lebens“ gedeutet, weil Heinrich nie König werden konnte.

Andreas Kandora und Sebastian Hohnhold, 20 und 15 Jahre alt, wissen es möglicherweise besser. Sie vermuten, dass der Prinz auch Freimaurer gewesen sein könnte. Bewusst geworden ist ihnen das im Sommer. Da standen sie vor dem Grabmal, das sich der Prinz im Rheinsberger Park erbauen ließ und zu dem – scheinbar – längst alles gesagt war. Doch Sebastian und Andreas wussten, dass die abgebrochene Pyramide auch ein Symbol der Freimaurer war. Sie konnten es kaum erwarten, den anderen von ihrer Vermutung zu erzählen. Die anderen – das waren die Mitglieder der höchst ungewöhnlichen Arbeitsgruppe „Friedrich der Große und sein Bruder Heinrich“.

Das Besondere an der Gruppe ist, dass sie zum großen Teil aus einstigen Patienten besteht. Patienten von Georg Marschall, einem Heilpraktiker und Psychologen, der sich vor allem um junge Menschen mit psychologischen Problemen kümmert. Andreas zum Beispiel war in Behandlung, weil er glaubte, zu klein zu sein. Wie die anderen hielt er sich im Sommer gern in Flecken Zechlin auf, einem hübschen Dorf nicht weit von Rheinsberg. „Dort habe ich eine Anzahl Betten“, erzählt der Psychologe. „Die Gegend ist ideal für Beschäftigung mit Natur und Geschichte; die beste Therapie.“

Vor allem die geheimen Organisationen faszinieren junge Leute. „Besser als Drogen“, sagt Marschall. Andreas Kandora hat längst kein Problem mehr mit seiner Größe. Er leistet jetzt Zivildienst und will Medizin studieren.

Auch Markus Langbein hatte früher Verhaltensprobleme. „Doc Marschall war immer für mich da“, erzählt er. Die historischen Forschungen haben den 20-Jährigen so begeistert, dass er jetzt sogar Geschichte studieren will.

Carsten Menz ist nach dem Tod eines nahen Angehörigen in die Therapiegruppe zu Georg Marschall gekommen. Jetzt zeigt der Zwölfjährige stolz den historischen Wälzer, den er liest: „Friedrich und Katte – der Kronprinzenprozess“. Im Oktober ist Carsten gemeinsam mit dem 15-jährigen Torsten Linnecke feierlich in die inzwischen 15 Mitglieder zählende Arbeitsgruppe aufgenommen worden.

Inzwischen haben die Hobbyhistoriker in deutschen und ausländischen Archiven, zum Beispiel in Paris, London und im österreichischen Freimaurermuseum Schloss Rosenau, Hinweise darauf entdeckt, dass Prinz Heinrich Freimaurer war. Er soll um 1745 Mitglied der „Großen königlichen Mutterloge: Zu den drei Weltkugeln“ in Berlin geworden sein.

Ein Wissenschaftler, der nicht namentlich zitiert werden will, bezweifelt die Forschungsergebnisse: „Das sind nur Hobbyhistoriker, die haben keinen wissenschaftlichen Beweis für ihre Theorie. Alle Hinweise stammen aus derselben Quelle.“ Prinz Heinrich ein Freimaurer? „Reine Spekulation. Wahrscheinlich ist nur, dass sein Bruder, Friedrich der Große, einer war.“ Und nicht nur der: Zu den Freimaurern, die nach vollständiger Erkenntnis der Welt unabhängig von religiösen und sozialen Unterschieden streben, zählten auch George Washington, Simon Bolivar, Goethe und Mozart. Bei Beethoven und Marc Chagall sind sich Experten unsicher, denn die Mitglieder der so genannten Logen blieben gern inkognito.

Doc Marschall und seine jungen Hobbyhistoriker glauben an ihre Forschungsergebnisse. Und machen weiter. Schließlich steht 2012 der 300.Geburtstag Friedrichs des Großen an. Bis dahin gibt es noch viele Geheimnisse zu lüften.

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