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Brandenburg: Das Jahr des Krebses

Cottbus feiert 850. Geburtstag. Als Höhepunkt ist ein historischer Festumzug geplant. Und im Juli soll es eine Massen-Polka geben

Von Sandra Dassler

Cottbus – Der mannshohe Krebs steht seit Mitte Dezember gleich neben der Sonnenuhr vor dem Cottbuser Altmarkt. Triumphierend reckt das hölzerne Schalentier seine Vorderscheren nach oben. Und die Siegerpose ist berechtigt. Schließlich hat das Cottbuser Wappentier alle Widrigkeiten überlebt – sogar einen Antrag der CDU-Fraktion. Die forderte 1948 die Stadtverordnetenversammlung auf, den Krebs aus dem Wappen zu entfernen. Begründung: Ein Tier, das meist rückwärts laufe, passe nicht in die neue Zeit des Aufbruchs. Außerdem seien die Bürger der Stadt fleißig und arbeitsam. Deshalb schlugen die Cottbuser Unionspolitiker vor, den Krebs durch eine Biene zu ersetzen. Mit welcher Begründung der Antrag abgelehnt wurde, ist nicht überliefert.

Das Schalentier blieb im Wappen, und dass derzeit 30 individuell gestaltete Krebs-Skulpturen überall in Cottbus aufgestellt werden, liegt daran, dass die Stadt in diesem Jahr ihren 850. Geburtstag begeht. Nicht zum ersten Mal übrigens.

Lange glaubten die Cottbuser gerne einem Historiker namens Abraham Hosemann, der im 16. Jahrhundert verbreitete, dass Heinrich I. während seines Lausitz-Feldzugs im 10. Jahrhundert die Stadt als militärischen Stützpunkt gegründet hatte. Hosemann soll sogar entsprechende Urkunden angefertigt haben. So feierten denn die Cottbuser 1730 ihr 800. und 1830 schon ihr 900. Stadtjubiläum. Erst als sie 1930 die Tausendjahrfeier vorbereiteten, entlarvten seriöse Heimatforscher die Fälschung. Da hatte die örtliche Zeitung freilich schon eine Beilage „1000 Jahre Cottbus“ gedruckt, und auch eine kleine Chronik war bereits erschienen.

Doch der Stand der Wissenschaft ist folgender: Cottbus wird zum ersten Mal in einer Urkunde vom 30. November 1156 erwähnt. „In jenem Dokument entsagte der Markgraf von Meißen allen seinen weltlichen Gütern“, erzählt Steffen Krestin, der Leiter des Cottbuser Stadtmuseums: „Unter den Zeugen ist auch ein Heinricus Castellanus de Chotibuz aufgeführt – ein Kastellan auf der Cottbuser Burg. Und wenig später, gegen Ende des 12. Jahrhunderts, ist in einer Handschrift des Klosters Nienburg an der Saale erwähnt, dass die Burg Cottbus bereits einen Markt und eine Kirche hat.“ Die Burg sei wahrscheinlich zunächst von Slawen auf einem Hügel an der Spree erbaut und später von Deutschen übernommen worden, meint Steffen Krestin, der zur Zeit zahlreiche Ausstellungen für das Jubiläumsjahr vorbereitet – von Kunst bis Fotografie.

Auch sonst hat sich die Stadt für 2006 viel vorgenommen – nicht zuletzt, weil die Oberbürgermeisterin Karin Rätzel (parteilos) hofft, mit den Feierlichkeiten ein wenig an den Enthusiasmus anzuknüpfen, den die Cottbuser vor und während der Bundesgartenschau (Buga) im Jahr 1995 entwickelten. So leitet denn auch Wolfgang Tamm das Festbüro 2006, das sämtliche Feierlichkeiten koordiniert. Der 62-Jährige hat als Büroleiter des damaligen Cottbuser Oberbürgermeisters Waldemar Kleinschmidt (CDU) bei der Buga wertvolle Erfahrungen gesammelt – und ausnahmslos alle Termine im Kopf: im März das 30. „Turnier der Meister“, zu dem im Jubiläumsjahr die besten Turner der Welt nach Cottbus kommen; im April die Enthüllung des „Postkutscherensembles“, eines Denkmals zur Würdigung des Cottbuser Postkutschers, der dem Zungenbrecher zufolge „den Cottbuser Postkutschkasten“ putzt. Im Mai folgt die Eröffnung des „Wegs des Ruhms“ für olympische Medaillengewinner aus Cottbus – beginnend mit dem Turner Gustav Schuft, der 1896 bei den ersten Spielen der Neuzeit auf dem Treppchen stand. Im Juni dann die Nacht der offenen Kirchen, im Juli das deutsch-polnische Medienfest, bei dem unter anderem 850 Paare im „Stadion der Freundschaft“ die in Cottbus und Umgebung beliebte „Annemarie- Polka“ tanzen wollen.

„Der Höhepunkt“, sagt Wolfgang Tamm, „ist natürlich der historische Festumzug am 18. Juni“. In über 40 Bildern wird dabei die Cottbuser Geschichte lebendig werden: Der Kampf gegen die Hussiten und Feuersbrünste, die alten Tuchmachertraditionen, der Kohleabbau in der Umgebung und die nicht immer ganz komplikationslosen Beziehungen zu Berlin. „Wir rechnen mit einer Viertelmillion Zuschauer allein beim Festumzug“, sagt der Sprecher der Cottbuser Stadtverwaltung, Michael Schlick. In Cottbus sind für dieses Wochenende schon fast alle Hotelzimmer ausgebucht. Aber ein Abstecher in den Spreewald habe ja nicht zuletzt für angereiste Berliner Tradition, sagt Stadtmuseumschef Steffen Krestin, da könnten sie dann auch übernachten. Und schwärmt von einem Stummfilm namens „Der fremde Vogel“ von 1911, in dem sich Asta Nielsen als Miss May während eines Ausflugs in den Spreewaldfischer Max verliebt. Möglicherweise wird der Film beim Festival des Osteuropäischen Films gezeigt, das im Herbst anlässlich der 850-Jahr-Feier einen Sonderschwerpunkt auf sorbische Filme legen wird. Immerhin haben die deutschen Cottbuser – historisch gesehen – eine gewisse Verpflichtung ihren sorbischen beziehungsweise wendischen Mitbürgern gegenüber. Die Christianisierung verlief auch in der Niederlausitz nicht immer unblutig. So waren beim ökumenischen Gottesdienst am gestrigen Sonntag in der Oberkirche auch sorbische Gebete zu hören.

Alle Veranstaltungen und weitere Informationen zum Jubiläumsjahr im Internet unter:

www.cottbus850.de

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