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Brandenburg: Das wird ein schönes Durcheinander

Viel Egoismus und Wettbewerb – Berlin soll Nein sagen zum Föderalismus-Kompromiss Von Eberhard Diepgen

Die Protagonisten überschütten sich mit Eigenlob. Bei vielen richtigen Ansätzen in der Überprüfung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern erweist sich die Vorlage der großen Koalition zur Föderalismusreform aber als Rückschritt in die deutsche Kleinstaaterei und Interessenwahrung der wirtschaftlich starken Länder der Republik. Die Bundeskanzlerin hat in der Programm-Diskussion ihrer Partei die Solidarität als entscheidendes Bindeglied einer Nation genannt, das erste große Reformvorhaben ihrer Regierung aber überbetont den Wettbewerbs-Föderalismus.

Der beabsichtigte Rückzug des Bundes aus der Bildungs- und Wissenschaftspolitik sorgt inzwischen für wachsenden Unmut. Von Arbeitnehmern wird Mobilität verlangt, für ihre Kinder wird ein Umzug zum schulischen Abenteuer. Für Hochschulzulassung und -abschlüsse soll der Bund zwar noch weiter Verantwortung tragen. Gemeinsame Bildungsplanung aber erhält keine neue tragfähige Grundlage. Ziel zwischen Bund und Ländern ist nur noch die „Schaffung von Grundinformationen für die Gewährleistung der internationalen Gleichwertigkeit und Wettbewerbsfähigkeit“. Schlussfolgerungen aus den Datensammlungen obliegen – so betont der Bundesrat – allein den Ländern und damit den unterschiedlichen bildungspolitischen Vorstellungen der verschiedenen Landtagsmehrheiten.

Die Förderung der Forschung durch den Bund wird nicht mehr den Aus- und Neubau von Hochschulen und Hochschulklinika erfassen. Auch wenn es finanzielle Übergangsregelungen geben soll, bleibt das Problem. Fachbereiche mit Rückwirkungen auf wirtschaftliche Entwicklungen benötigen hohe Investitionen – Technik, Naturwissenschaften, Medizin. Der wirtschaftlich schwache Norden wird sie nicht leisten können. Der starke Süden hat seine Interessen gewahrt.

Der Katalog lässt sich fortsetzen. An der aktuellen Streikfront im öffentlichen Dienst sind einzelne Länder vor den Gewerkschaften zurückgewichen. 1971 waren die Länder unter den Schirm des Bundes gekrochen, weil sie einzeln für sich dem Druck bei Lohnverhandlungen nicht standhalten konnten. Jetzt soll der Bund wieder die Zuständigkeiten im Dienstrecht und dabei insbesondere bei Besoldung und Versorgung verlieren. Die Länder wollen neue Chancen zum Sparen und werden dafür eigene (das sind dann 16) neue Dienstrechtsabteilungen aufbauen. Das mag für kurze Zeit funktionieren. Dann aber werden die alten Probleme der Lohnauseinandersetzungen wieder aufflammen. Es wird zwar behauptet, durch die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes bei den Statusrechten und -pflichten der Beamten werde bundesweite Mobilität gewährleistet. Richtig. Aber nur in die Richtung besserer Besoldung bei den reicheren Ländern. Und das im Wettbewerb um die Spitzenkräfte in Verwaltung, Wissenschaft und Forschung.

Kein Zweifel: Mit der Föderalismusreform stellen sich Bund und Länder einer längst fälligen Aufgabe. Die Blockadepolitik seit 1994 war politischer Missbrauch. Ihm strukturell entgegenzuwirken ist richtig. Deswegen darf das Parlament aber nicht nur abnicken. Es muss prüfen und gegebenenfalls nachbessern.

Demnächst sollen Länder von Bundesgesetzen abweichen können. Das kann ein schönes Durcheinander geben. Oder ein anderes Beispiel. Nach den angestrebten Regelungen soll es demnächst offenbar 16 Strafvollzugsgesetze in Deutschland geben: Straftäter zwischen Bremen und Bayern auf dem Weg zum persönlich angenehmeren Knast.

Berlin dürfte aus seiner Interessenlage den bisherigen Vorlagen nicht zustimmen. Stolz wird zur politischen Begründung auf die Ergänzung des Grundgesetz-Artikels 22 hingewiesen. „Berlin ist Hauptstadt. Die Repräsentation des Gesamtstaates in der Hauptstadt ist Aufgabe des Bundes.“ Was für ein Fortschritt? Wer soll denn in Berlin den Gesamtstaat repräsentieren? Der Versuch, den Sitz von Bundesministerien in Bonn durch die Verfassung abzusichern, konnte abgewehrt werden. Die Hervorhebung des Berlin-Bonn- Gesetzes in den Gesetzesmaterialien ist schon ärgerlich genug. Auch in dieser Legislaturperiode müssen Ministerien aus Bonn nach Berlin umziehen.

Der Autor war von 1984 bis 1989 und von 1991 bis 2001 Regierender Bürgermeister von Berlin. Er ist Ehrenvorsitzender des CDU-Landesverbandes.

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