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"Für unser Land Brandenburg": der ehemalige Ministerpräsident Manfred Stolpe.

© dpa

DDR-Aufarbeitung: Rot-Rot wittert Angriff auf Stolpes Vermächtnis

Ein Gutachten für die Brandenburger Enquete-Kommission zur DDR-Aufarbeitung belegt Mängel im Umgang mit Stasi-Spitzeln nach 1990. Über die Bewertung der Stasi-Kontakte Manfred Stolpes wird gestritten.

Potsdam - Die Enquetekommission des Landtags zur Aufarbeitung der Brandenburger Nachwendejahre, bislang von Parteipolemik verschont, steht vor einer Zerreißprobe. Grund ist ein Gutachten zur Stasi-Überprüfung in Landesregierung und Parlament in den frühen neunziger Jahren, das nun – obwohl noch für eineinhalb Wochen mit Sperrfrist versehen – an die Öffentlichkeit gelangte. Der Streit zwischen rot-roter Regierungskoalition und Opposition entzündet sich an einer Person: dem früheren Kirchendiplomaten, Ministerpräsidenten und Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD). Das Gutachten stellt fest, dass Stolpe ein wichtiger Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der DDR-Staatssicherheit gewesen sei und ebenso wie knapp ein Dutzend Landtagsabgeordneter im ersten Landtag nach 1990 sein Mandat hätte verlieren müssen.

Um Stolpe geht es in dem Gutachten nur am Rande. Das Urteil der Experten ist vernichtend, der sogenannte Brandenburger Weg im Umgang mit früheren DDR-Funktionären und Stasi-Mitarbeitern in ihren Augen gescheitert. Beim Stasi-Check der Abgeordneten wurde demnach heftig geschlampt, die Prüfungskommission hielt die vom Parlament aufgestellten Maßstäbe nicht ein. Und bei den Stasi-Checks in den Landesbehörden wurde laut dem Gutachten auffällig nachsichtig und unkoordiniert mit belasteten Mitarbeitern umgegangen. SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher nannte das Gutachten eine „politisch motivierte Abrechnung“, die den „Erfolg der gesamten Enquetekommission“ gefährde, und sprach von „plattestem Meinungskampf“. Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser sagte, die Autoren folgten der Opposition „mit ihrer Tendenz zur Dämonisierung und Denunziation des eigenen Landes und seines demokratischen Neubeginns“. Beide stürzten sich aber nur auf zweieinhalb Seiten des 129 Seiten starken Berichts – jene zu Stolpe.

„Der innere Vorbehalt Stolpes, eigentlich im Dienste der Kirche gearbeitet zu haben, ist nach dem Landtagsüberprüfungsbeschluss und auch nach den Kriterien des Überprüfungsverfahrens unbeachtlich“, heißt es im Gutachten. Ein Untersuchungsausschuss des Landtages entlastete 1994 den 75-Jährigen weitgehend. Stolpe bestritt stets, als IM gearbeitet zu haben. Das Bundesverfassungsgericht untersagte 2005 einem CDU-Politiker, Stolpe einen Stasi-IM zu nennen. Die Stasi-Unterlagenbehörde blieb bisher und ohne juristische Folgen dabei – dass Stolpe „nach den Maßstäben des Ministeriums für Staatssicherheit ein wichtiger inoffizieller Mitarbeiter war“. Auf nichts anderes beziehen sich die Gutachter.

Grünen-Fraktionschef Axel Vogel und die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg forderten statt der „roten Schlammschlacht“ eine sachliche Debatte in der Enquetekommission. Für Rot-Rot aber ist Stolpe die Symbolfigur, dessen Brandenburger Weg das Vermächtnis der SPD. Fraktionschef Holzschuher sagte: „Die Voraussetzung für die Friedlichkeit der Revolution von 1989 war das Versprechen der zweiten Chance. Die Alternative war Blutvergießen.“ Die SPD stehe „zur Politik der zweiten Chance“. Die „Überlegenheit der Demokratie“ zeige sich darin, ihre „früheren Gegner“ zu integrieren.

Wer gemeint ist, sagte Linke-Fraktionschefin Kaiser: Heinz Vietze, dessen Karriere nach 1990 so nur in Brandenburg möglich war und der im Gutachten erwähnt wird. Kaiser sprach von Stolpes und Vietzes „Verdiensten“ für das Land. Vietze war über Jahre in Brandenburg und auf Bundesebene einer der Mächtigen der PDS. Bis 1989 war er SED-Bezirkschef in Potsdam, residierte dort, wo heute der Landtag sitzt. Für die Gutachter ist unerklärlich, dass Vietze im Landtagsbericht zur Stasi-Überprüfung von 1990 nicht erwähnt wird, obwohl er alle Kriterien für eine Aufforderung zur Mandatsniederlegung erfüllt hätte – samt Vita als Stasi-IM.

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