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Brandenburg: DDR im Weichspülgang

Landesregierung entschärft die Leitlinien zur Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur

Potsdam – In Brandenburg, das nach 1990 lange als „kleine DDR“ galt, wird jetzt auf eine offensivere Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur gedrängt. Das sieht das Konzept der Landesregierung zum weiteren Umgang mit SED-Unrecht vor, das am heutigen Freitag vom Parlament beschlossen werden soll – aber nur in einer entschärften Fassung. Nach Tagesspiegel-Informationen sind aufgrund einer Intervention des – fachlich gar nicht zuständigen – Finanzministers Rainer Speer (SPD) brisante Passagen aus dem Konzept getilgt worden, ehe es ins Kabinett und dann in den Landtag ging. Das geht aus einem Schreiben von Finanzstaatssekretär Rudolf Zeeb an Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) hervor. Danach hat das Finanzministerium die Zustimmung zu der Kabinettsvorlage ultimativ an die „Maßgabe“ geknüpft, dass in den „Leitlinien zur Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur im Land Brandenburg“, also dem Grundsatzkapitel des Konzeptes, bestimmte Passagen gestrichen werden, was daraufhin tatsächlich geschah.

Nach Tagesspiegel-Informationen waren in den getilgten Passagen differenzierte Vergleiche von SED- und NS-Diktatur angeregt worden. So hieß es dort etwa, dass die Auseinandersetzung mit der DDR „genauso ein wichtiges Thema wie die mit der Zeit des Nationalsozialismus“ sei. Für die historisch-politische Bildung gelte, „dass die Periode des Nationalsozialismus mit der Periode kommunistischer Herrschaft zwar verglichen, aber nicht gleichgesetzt werden kann“.

Getilgt wurde auch ein Abschnitt, in dem eine Untersuchung gefordert wurde, ob in der Abschottung zu DDR-Zeiten möglicherweise eine Ursache für Rassismus und Mangel an Weltoffenheit in der Brandenburger Bevölkerung liegt. Auch die „stets propagierte, faktisch jedoch streng reglementierte ,deutsch-sowjetische Freundschaft‘“ sei „keine Quelle für Weltoffenheit“ gewesen“, hieß es im Originaltext. Sie habe „eher die Abgrenzung und Abneigung gegenüber Fremden in der DDR“ verstärkt, „da sie kaum selbstbestimmte Begegnungen ermöglichte und die Sowjets mehr als Besatzungsmacht wahrgenommen wurden“.

Begründet wurde die Korrektur der Leitlinien damit, dass jene Formulierungen über den Landtagsbeschluss hinausgingen. Auffällig ist aber, wie prompt Bildungsminister Rupprecht dem Einwand des Finanzministeriums folgte, obwohl dieses laut offizieller Darstellung an dem Konzept gar nicht mitgewirkt hat.

Die Leitlinien zum Umgang mit SED- Diktatur zielen unter anderem darauf ab, dass aufgrund der verbreiteten Unkenntnis an den Schulen verstärkt die DDR behandelt werden soll. Außerdem sollen authentische Gedenkstätten unterstützt werden. In einem Anhang wird zudem zum ersten Mal versucht, in Thesen einen gesellschaftlichen Konsens zur DDR-Diktatur zu formulieren. Dort heißt es etwa: „Hier fanden sie auch eine gewisse materielle Sicherheit und Stabilität, wenn sie die von der SED gezogenen Grenzen nicht allzu offensichtlich überschritten.“ Thorsten Metzner

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