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Brandenburg: Dennis’ Tod – ein minderschwerer Fall?

Verteidiger fordern eine Bewährungsstrafe für die angeklagten Eltern und geben Behörden Mitschuld

Cottbus - Im Prozess um den Tod von Dennis aus Cottbus will das Landgericht am 1. März das Urteil fällen. Vor zweieinhalb Wochen hatte der Staatsanwalt für die Eltern des verhungerten Jungen lebenslange Haftstrafen wegen Mordes gefordert. Gestern plädierten die Verteidiger auf Körperverletzung mit Todesfolge. Sie fordern Bewährungsstrafen.

Bevor die Verteidiger ihre Plädoyers hielten, ergriff die Mutter des verhungerten Kindes, Angelika B. (44) noch einmal das Wort. Von einem Blatt Papier las sie ab: „Es tut mir alles so Leid. Ich bereue meine Fehler und bitte das Gericht um eine milde Strafe, damit ich mich mit Falk weiter um unsere Kinder kümmern kann.“ Sie schluchzte, Tränen liefen ihr übers Gesicht. Diese überraschende Wortmeldung vor den Plädoyers der Verteidiger begründete sie damit, dass sie das Gefühle habe, dass Staatsanwalt und Richter noch Erklärungen bräuchten. Sie und ihr Mann Falk (38) seien keine Mörder. Sie hätten Dennis nicht absichtlich verhungern lassen, wie das der Staatsanwalt behauptet, sagte die Mutter von elf Kindern. Sie hätten sich um die Kinder gekümmert, „so gut es ging“. Bei Dennis sei das schwierig gewesen, sagt sie. „Ich habe Dennis immer wieder aufgefordert, dass er essen soll. Dann ist er oft bockig geworden.“ Laut Gutachter ist der Junge kurz vor Weihnachten 2001 an den Folgen von Unterernährung gestorben. Aus Angst vor Entdeckung hatte die Mutter die Leiche zweieinhalb Jahre lang in einem Tiefkühlschrank versteckt. Dort hatten Polizeibeamte die zum Teil stark verweste Leiche des Jungen im Juni 2004 entdeckt. Vor Gericht sagte die Mutter, dass sie heute wisse, dass sie mit Dennis zum Arzt hätte gehen müssen.

Die Anklage sieht das anders: Aus einer „gefühllosen und unbarmherzigen Gesinnung“ heraus hätten Angelika und Falk B. ihrem Sohn nur sporadisch Nahrung und Flüssigkeit gegeben und ihm „starke seelische und körperliche Qualen“ zugefügt und ihn „fürchterlich vernachlässigt“. Deshalb hatte die Anklage lebenslange Haft für beide Eltern gefordert.

Die Verteidiger von Angelika und Falk B., die Rechtsanwälte Hans Joachim Kelleners und Guido Schmidt, sagten in ihren Plädoyers, die Staatsanwaltschaft habe die Tatabläufe sachlich dargestellt, nur die falschen Schlussfolgerungen gezogen: Die Angeklagten könnten höchstens wegen Körperverletzung mit Todesfolge im minderschweren Fall zur Verantwortung gezogen werden. Kelleners hält eine zweijährige Haftstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird, für die Mutter von Dennis für angemessen. Eine milde Strafe forderte auch der Verteidiger des Vaters.

Dennis sei „durch alle Maschen gefallen, durch die der Eltern und die der Gesellschaft“, stellte Kelleners in seinem Plädoyer fest. Angelika B. sei in einer spezifischen Lebenssituation überfordert gewesen und habe versagt. Das habe zu „unfassbaren Folgen“, dem Hungertod von Dennis, geführt. Rechtsanwalt Schmidt gab zu, dass sein Mandant „die Pflichten als Vater vernachlässigt, die Familie zu oft allein gelassen und zu viel Alkohol getrunken hat“. Beide Verteidiger der Angeklagten geben den Behörden eine Mitschuld an dem tragischen Geschehen. Die staatliche Gemeinschaft habe es versäumt, die Pflege und Erziehung der Kinder zu überwachen. „Hätten Jugend- und Schulamt richtig gehandelt, könnte Dennis heute noch leben“, sagte Schmidt.

Anders als vorgesehen, nimmt sich die Schwurgerichtskammer mehr Zeit für das Urteil. Ursprünglich sollte es am kommenden Dienstag gesprochen werden. Nun erfolgt die Urteilsverkündung am 1. März. Richter und Schöffen müssen zwischen Körperverletzung mit Todesfolge, Totschlag und Mord entscheiden.

Wolfgang Swat

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