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Brandenburg: Der Fall Schmökel: Ärzte unter Verdacht

Die spektakuläre Flucht des Triebtäters Frank Schmökel ist offenbar durch skandalöse Schlampereien in der Nervenklinik Neuruppin ermöglicht worden - und hätte verhindert werden können: Nach Tagesspiegel-Informationen sollen Klinikleitung und behandelnde Ärzte simple Sicherheitsstandards vernachlässigt haben. So habe Schmökel einen Klinikcomputer benutzen dürfen.

Die spektakuläre Flucht des Triebtäters Frank Schmökel ist offenbar durch skandalöse Schlampereien in der Nervenklinik Neuruppin ermöglicht worden - und hätte verhindert werden können: Nach Tagesspiegel-Informationen sollen Klinikleitung und behandelnde Ärzte simple Sicherheitsstandards vernachlässigt haben. So habe Schmökel einen Klinikcomputer benutzen dürfen. Aus persönlichen Schriftstücken, aber auch aus seinem ebenfalls nicht kontrollierten Briefwechsel mit verschiedenen Frauen in der Bundesrepublik sei seine Fluchtabsicht hervorgegangen, hieß es in Polizeikreisen. Schmökel soll es sogar gelungen sein, sich in der Klinik so genannte K.o.-Tropfen zu besorgen.

Die Staatsanwaltschaft Neuruppin bestätigte am Freitag, dass das Pflegepersonal der Klinik eindringlich vor Lockerungen und einer Ausführung Schmökels gewarnt hatte. "Nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen haben wir die Befürchtung, dass das Wort Besserung sehr groß, das Wort Sicherung aber sehr klein geschrieben worden ist", sagte Gerd Schnittcher, der Sprecher der Neuruppiner Staatsanwaltschaft. Allerdings könne dies endgültig erst beurteilt werden, wenn sich die Beschuldigten zu den Vorwürfen geäußert hätten.

Die Ermittlungen wegen fahrlässiger Körperverletzung und fahrlässiger Tötung richten sich gegen Klinikleiterin und Chefärztin Andrea S., gegen die Oberärztin der entsprechenden Abteilung Maria R. sowie Schmökels Therapiearzt Karl Heinz G. Schmökel hatte auf seiner Flucht einen Rentner getötet und einen Pfleger schwer verletzt. Nach Auskunft von Schnittcher hatten Schmökels Pfleger vor Lockerungen für den Triebtäter gewarnt. "Im Pflegepersonal war man sich einig, dass Schmökel nicht therapierbar sei, sich nur äußerlich angepasst habe, aber im Inneren gefährlich geblieben sei." Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft ist aus den ärztlichen Unterlagen "ein Theraphiefortschritt, der die Genehmigung von Lockerungen transparent gerechtfertigt hätte, nicht zu erkennen". Es gebe "nicht einmal ein Kurzgutachten für die genehmigte Ausführung zur Mutter".

Sozialminister Alwin Ziel hatte disziplinarische Konsequenzen gegen Leitung und Ärzte der Klinik bislang abgelehnt. Vor seiner letzten Flucht war Schmökel aus dem Maßregelvollzug Brandenburg bereits mehrfach ausgebrochen. Er wurde dann nach Neuruppin verlegt, "um ihn sicher unterzubringen". Die lockere Praxis beim Umgang mit gefährlichen Gewaltverbrechern ist im Neuruppiner Maßregelvollzug offenbar kein Einzelfall gewesen. Schnittcher bestätigte einen ähnlich gelagerten Fall drei Wochen vor der Flucht Schmökels: Einem Sexualstraftäter und Mitpatienten war eine Ausführung genehmigt worden, obwohl zwei Tage vorher der Verdacht bekannt geworden war, dass dieser ein Messer besitzt und eine Flucht beabsichtigt. Obwohl das Messer nicht gefunden wurde, blieb es bei der Lockerung. Prompt konnte der Sexualstraftäter fliehen - mit Hilfe des Messers. Schnittcher schloss Ermittlungen auch wegen dieses Falles nicht aus.

ma, thm

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