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Brandenburg: Der genetische Zwilling

Markus Heggens Knochenmark rettete Justus’ Leben. Jetzt trafen sich beide

Wie dankt man einem Menschen, der dem eigenen Kind das Leben rettete? Beatrix und Cord-Siegfried von Hodenberg haben sich für ein Geschenk entschieden. Ein Fotoalbum. Bilder ihres Sohnes Justus, wie er im Krankenhaus liegt. Momentaufnahmen. Ein Kinderbettchen unter einem Plastikzelt. Die Mutter mit Haarnetz und keimfreiem Kittel. Das Baby „verkabelt“ mit acht Schläuchen, durch die Medikamente strömen. Und dann fröhlichere Fotos. Sie zeigen, wie gut es dem heute Zweieinhalbjährigen ein Jahr nach der Knochenmarkspende ging, die ihn wieder gesund gemacht hat.

Im Jahr 2002 schwebte der damals vier Monate alte Junge aus Radebeul in Lebensgefahr. Eine seltene genetische Krankheit verhinderte, dass sich in seinem Blut ein eigenes Immunsystem bildete. Nur die Spende von gesunden Stammzellen aus dem Knochenmark eines anderen konnte ihn retten. Dieser andere ist Markus Heggen, 25-jähriger Politikstudent aus Berlin. Am Sonntag saßen sich Spender und Empfänger in einem Berliner Café erstmals gegenüber.

Justus legt die Stirn in Falten, besieht kritisch den Fremden, der nervös auf seine Kaffeetasse trommelt. Dabei ist ihm Markus Heggen alles andere als fremd. Der Kleine ist dem 25-Jährigen genetisch ähnlicher als seinen Verwandten. Denn nur wenn die 1700 Gewebemerkmale, nach denen der Körper eigenes und fremdes Erbgut unterscheidet, nahezu hundertprozentig übereinstimmen, wird die Stammzellen-Transplantation nicht wieder abgestoßen. Markus und Justus sind also genetische Zwillinge.

Heggen ist einer von 97 Berlinern aus der Datenbank der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) in Tübingen, die seit 1991 mit ihren Stammzellen schwerkranken Menschen halfen. Die DKMS ist nicht die einzige derartige Institution in Deutschland, aber mit 1,18 Millionen registrierten Spendern die größte – weltweit. Täglich werden im Schnitt vier Transplantationen vermittelt, meist an Leukämie-Patienten, deren Blutzellen zum Beispiel durch eine Chemotherapie zerstört wurden. In Berlin haben sich schon mehr als 13 000 Menschen in die Datei aufnehmen lassen, bereit, eines Tages Leben zu spenden.

Justus braucht ein bisschen Zeit, um Vertrauen zu fassen. Doch nach einer Stunde lässt er sich von Markus ganz selbstverständlich auf den Schoß nehmen. Es ist der Augenblick, auf den sich Markus Heggen seit Wochen gefreut hat. „Als wenn man sein eigenes Kind in den Arm nimmt.“

„Wir wollten den Spender damals eigentlich sofort kennen lernen“, sagt Beatrix von Hodenberg. Es sei ja nicht selbstverständlich, dass sich jemand zu der belastenden und zeitaufwändigen Prozedur bereit erklärt. Allein die Stammzellenentnahme dauert vier Stunden. Die Vorbereitung darauf viele Tage. „Wir hätten ihm gern erzählt, wie gut es unserem Sohn geht.“ Doch die Datenschutzbestimmungen der DKMS sind eindeutig: Mindestens zwei Jahre müssen vergehen, bis beide Seiten sich kennen lernen dürfen.

Das soll nun anders werden. „Wir wollen auf jeden Fall in Kontakt bleiben“, sagt Justus’ Mutter. Markus Heggen hört schon gar nicht mehr zu. Er ist jetzt nur noch für Justus da, der noch immer auf seinem Schoß sitzt.

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