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Brandenburg: „Der Mittelstand wird vernachlässigt“

Die PDS ist in der Wirtschaftspolitik zerstritten. Sie haben die arbeitsmarktpolitische Sprecherin Esther Schröder, eine Gegnerin der Chipfabrik, öffentlich getadelt.

Die PDS ist in der Wirtschaftspolitik zerstritten. Sie haben die arbeitsmarktpolitische Sprecherin Esther Schröder, eine Gegnerin der Chipfabrik, öffentlich getadelt. Schadet der Streit Ihrer Partei, der ohnehin nur eine geringe wirtschaftspolitische Kompetenz zugetraut wird?

Ja. Aber es ist trotzdem notwendig, diesen Konflikt auszutragen: Es geht um unseren weiteren Kurs. Die PDS befindet sich an einer Scheidelinie der Politik. Wir müssen deutlicher definieren, was die PDS bewirken kann und was nicht. Unterschiedliche Auffassungen gibt es unter anderem zu der Frage, was die öffentliche Hand zu leisten vermag und was nicht. Wo sie eingreifen muss und wo nicht. Wir dürfen da keine falschen Hoffnungen wecken, um glaubwürdig zu sein.

Aber Frau Schröder macht mit ihrer Kritik an der Landesregierung eigentlich nur das, was ein Oppositionspolitiker tun soll. Stört sie Ihre rot-roten Strategie?

Man darf es nicht nur darauf reduzieren. Die PDS will in Brandenburg zweitstärkste Partei werden und die große Koalition beenden. Um das zu erreichen, verfolgen Fraktion und Landesverband eine abgestimmte Strategie, bei der Initiativen auf den Wahlkampf justiert sind. Dies darf nicht durch Alleingänge und persönliche Inszenierungen konterkariert werden. Ob es 2004 eine rot-rote Koalition geben wird, wird sich zeigen.

Sie verfolgen gegenüber Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß einen pragmatischen Kurs. Weil Sie die Regierungsfähigkeit der PDS beweisen wollen?

Die Politikfähigkeit der PDS schließt Regierungsfähigkeit und Oppositionskraft ein. Und Realismus ist für moderne Parteien eine Notwendigkeit. Solange es um Vorhaben geht, die für das Land notwendig sind, ist das Parteibuch nebensächlich. So hat Minister Fürniß PDS-Forderungen – wie nach erleichterten Bürgschaften – aufgegriffen, die die SPD zu Zeiten der Alleinregierung abgelehnt hatte. Das hält uns nicht davon ab, ihn zu kritisieren, wenn es notwendig ist.

Brandenburgische Großprojekte wie Cargolifter, Chipfabrik, Lausitzring oder Wünsdorf stecken in der Krise. Was wurde falsch gemacht?

Falsch war erstens, dass es keine seriöse Folgeabschätzung beim Einsatz der öffentlichen Mittel gab. Zweitens hat die Landesregierung – so beim Flughafen – Managementfehler in einer nicht akzeptablen Größenordnung gemacht. Drittens ist die regionale Vernetzung der Großprojekte ungenügend beachtet worden. Skepsis ist nach diesen Erfahrungen angebracht.

Also keine neuen Großprojekte mehr?

Wegen der geringen Industriedichte kann es sich das Land Brandenburg einfach nicht leisten, Großprojekte von vornherein abzulehnen. Es sollte sie, wenn sie technologisch und marktpolitisch sinnvoll sind, weiter geben. Die Chipfabrik ist ebenso sinnvoll wie EKO Stahl oder BASF Schwarzheide.

Aber auf der Baustelle der Chipfabrik ruhen die Arbeiten. Die Vertragsunterzeichnung mit dem Hauptfinanzier Dubai lässt trotz des technologisch bedingten Zeitdrucks auf sich warten. Droht der nächste Flop?

Das sind keine Probleme, die die Realisierung gefährden. Aber die Informationspolitik zur Chipfabrik ist miserabel. Und noch immer arbeitet man in der Regierung gegeneinander anstatt das Vorhaben voranzutreiben. Das ist nicht akzeptabel.

Ist es nicht höchste Zeit, die Förderpolitik voll auf den Mittelstand zu konzentrieren, der über mangelnde Unterstützung klagt?

Es stimmt: Der Mittelstand wird vernachlässigt, seine Förderung muss drastisch verbessert werden. Und es darf nicht mehr geschehen, dass Großprojekte aus reinen Prestigegründen gefördert werden, wie der Lausitzring. Das war eine Fehlentscheidung, die das Land jetzt erpressbar macht. Aber eine völlige Abkehr von Großinvestitionen wäre falsch. Die beiden Ansätze müssen neu zusammengeführt und ausfinanziert werden. Dafür gibt es in der Landesregierung bislang kein Konzept. Das ist das Manko.

Derzeit häufen sich die Klagen über abgelehnte oder verspätet ausgezahlte Fördermittel für kleine und mittlere Unternehmen.

Die Situation ist ernst. Der Förderetat für die Wirtschaft ist wegen der Antragsflut bereits um das Vier- bis Fünffache überzeichnet.

Die Landesinvestitionsbank bestreitet dies und behauptet, dass kein solider Förderantrag für mittelständische Unternehmen abgelehnt wird. Es werde lediglich die Auszahlung gestreckt. Teilen Sie den Eindruck, dass getrickst wird, um die dramatische Situation zu verschleiern?

Ja, dieser Verdacht drängt sich auf. Die ILB bestreitet übrigens, was der Wirtschaftsminister längst bestätigt hat. Mir sind Fälle bekannt, wo es nach der Bewilligung nachträglich zu einer Veränderung der Förderkriterien gekommen ist. Das eigentliche Problem ist, dass die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik in Brandenburg nicht ausfinanziert ist. Das droht zum Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Bundesländern zu werden.

Was würden Sie als Wirtschaftsminister anders machen?

Die Kommunikation mit den Unternehmen und Wirtschaftsverbänden verbessern. Den Meinungsstreit darüber anstoßen, wo Brandenburg technologisch steht und wohin es will. Mehr Flexibilität bei der Bewilligung von Fördermitteln durchsetzen und die Aufgaben der Landesbank ILB so den neuen Erfordernissen anpassen, das aus der Förderbank auch eine Mittelstandsbank wird. Ich würde versuchen, vor der EU-Osterweiterung dringend benötigte Infrastrukturprojekte über privat-öffentliche Mischfinanzierungen zu realisieren, da die öffentliche Hand damit allein überfordert ist. Und ich würde dafür eintreten, Arbeitsmarkt und Wirtschaftsförderung besser miteinander zu verknüpfen – am besten in einem gemeinsamen Ministerium.

Das Interview führten Michael Mara und Thorsten Metzner

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