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Vor 50 Jahren erhielt Berlin den Pergamonaltar zurück – mit 1,5 Millionen anderen Kunstwerken

Hunderttausende Besucher stehen jedes Jahr staunend davor. Doch die wenigsten von ihnen wissen, dass der Pergamonaltar wie viele andere Schätze aus Berliner Museen eine beispiellose Odyssee hinter sich hat. Vor 50 Jahren kehrte er auf die Museumsinsel zurück, traf in einigen der 300 Eisenbahnwaggons aus Moskau und Leningrad in Berlin ein. Eine Geste, mit der nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht einmal die befreundete Staatsführung der DDR gerechnet hatte.

Im November 1958 konnten die Berliner zum ersten Mal wieder einen Blick auf den Altar werfen, fast 20 Jahre, nachdem die Museen wegen des Zweiten Weltkrieges geschlossen worden waren. Und das war nicht zuletzt selbst für die Mitarbeiter auf der Museumsinsel eine Sensation. Denn den Pergamonaltar mit seinem rund 120 Meter langen Altarfries, der den Kampf der olympischen Götter gegen die Giganten thematisiert, ist ein Meisterwerk der hellenistischen Plastik. Carl Humann legte ihn 1878 bis 1886 in Anatolien frei. Diesen Schatz kannten selbst viele Berliner Museumsleute nur aus Abbildungen in Büchern. In seiner ganzen Pracht konnte der Schatz nämlich erst 1930 ausgestellt werden, mit der Fertigstellung des dafür errichteten Museums. Doch neun Jahre später wurde das Museum wegen des beginnenden Krieges geschlossen.

Und ohne den Krieg wäre es zu der Odyssee des Altars und der rund 1,5 Millionen anderen Kunstwerke aus deutschen Museen nicht gekommen. Weil Hitlers Armeen bei ihrem Angriffskrieg große Teile des russischen Kulturerbes konfiszierten oder zerstörten, verlangte die Sowjetunion schon während des Krieges Kompensationen aus den deutschen Museen, unter anderem den Pergamonaltar. Noch in den letzten Kriegstagen begannen Trophäenbrigaden der Roten Armee damit, die Kunstwerke, die in Bunkern, Tresoren oder Tagebauen zum Schutz vor den Kampfhandlungen eingelagert waren, abzutransportieren. Das Ziel: Moskau. Aber so ganz genau wusste das im besiegten Deutschland niemand. „Es war auch nicht opportun, zu fragen, wo die Sachen hingekommen sind“, sagt heute Volker Kästner, Leiter der Antikensammlung der Staatlichen Museen.

Abenteuerlich war das Schicksal der zum Teil unwiederbringlichen Kunstschätze von der Museumsinsel auch schon vorher. Adolf Hitler brach den Zweiten Weltkrieg vom Zaun, ohne sich Gedanken zu machen, wie die Museen und Kulturgüter zu schützen wären. Die Museen, auf sich allein gestellt, begannen nach Kriegsausbruch damit, ihre Schätze zu sichern. Was ohne große Probleme transportiert werden konnte, kam zum Beispiel in die Tresore der Münze am Molkenmarkt. Oder, später, in die Flakbunker in Friedrichshain oder am Bahnhof Zoo. Der Fries des Pergamonaltars jedoch blieb im Museum, nur durch Sandsäcke geschützt. Das war keine gute Idee. Denn durch die ersten Bombenschäden war das Dach des Museums undicht, die eindringende Feuchtigkeit ließ die Sandsäcke schimmeln. Also mussten auch die bis zu 2,30 Meter großen und zwei Tonnen schweren Platten des Frieses in Sicherheit gebracht werden und kamen in den Flakbunker am Zoo. Von dort aus transportierten ihn die Russen nach Kriegsende zunächst zum zentralen Schlachthof in Prenzlauer Berg. Und dann in die Sowjetunion.

Doch dort wurde die Kriegsbeute nicht gezeigt. Ursprüngliche Pläne, ein russisches Pergamonmuseum zu errichten, zerschlugen sich. Die Schätze blieben in den Depots. Erst am 7. August 1958 konnte die staunende Öffentlichkeit in Leningrad und Moskau sehen, welche Schätze aus Deutschland die Sowjetunion in ihren Museen lagerte. Nicht einmal die Kustoden der jeweiligen Häuser wussten Bescheid. Zum Zeitpunkt der Ausstellungen war ihre Rückgabe aber schon beschlossene Sache.

Es war nicht zuletzt ein Akt im Kräftemessen des Kalten Krieges. So hatte kurz zuvor bereits die Bundesrepublik beschlossen, die nach Westen ausgelagerten Kunstschätze der Museumsinsel wieder nach Berlin zurückzugeben. Allerdings nur in die westliche Teilstadt. So kam zum Beispiel die Nofretete wieder an die Spree, schaffte es aber nur bis Charlottenburg. Als Freundschaftsgeste an die DDR wollte die Sowjetunion die Rückgabe der Kunstschätze verstanden wissen, entsprechend wurde die Entscheidung in den Zeitungen Ost-Berlins gefeiert: „Unser Dank gilt der Sowjetunion“, titelte die Berliner Zeitung, während der Tagesspiegel etwas mäkelig im November 1958 feststellte: „Von 300 vorgesehenen Eisenbahnwaggons sind erst 80 eingetroffen.“

Die Odyssee hat der Altar nicht schadlos überstanden. „Einige Fragmente vermissen wir bis heute, von denen wir auch wissen, dass sie nach Osten gegangen sind“, sagt Kästner und zeigt Fotos der Stücke: Mal fehlt ein Flügel, eine Haarlocke, ein Fuß, ein Kopf einer Schlange, oder eine Inschrift – insgesamt 15 Fragmente. Wo sie sind, weiß niemand. Aber die Hoffnung, dass sie zurückkehren, gibt Kästner nicht auf: „Wir sind glücklich über jeden Krümel, der wieder da ist.“

So wurde den Museen vor einigen Jahren ein antikes Arztbesteck aus römischer Zeit von privater Hand wieder angeboten, das vor dem Krieg nachweislich zur Antikensammlung der Museumsinsel gehörte. Ein wichtiges Stück für die Sammlung der Museumsinsel. Und deshalb haben die Staatlichen Museen nicht gezögert: „Wir haben es zurückgekauft“, sagt Kästner.

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