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Brandenburg: Der Windel-Schwindel

Task Force der AOK deckt Betrug mit Einlagen für Inkontinenz-Patienten auf

Von Sandra Dassler

Potsdam. Niemand spricht gern darüber, aber viele leiden darunter: Immerhin vier Millionen Deutsche lassen sich wegen Inkontinenz auf Kosten der Krankenkassen behandeln. Wer seinen Harn- oder Stuhldrang nicht mehr steuern kann, muss nicht mehr wie früher auf die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben verzichten. Es gibt neben zahlreichen Behandlungsmethoden auch die Möglichkeit, Windeln beziehungsweise so genannte Inkontinenz-Vorlagen zu tragen. Die bekommt man auf ärztliche Verordnung in Apotheken und Sanitätshäusern.

Doch Windel ist nicht gleich Windel – das mussten jetzt Mitarbeiter der Task Force zur Aufdeckung von Abrechnungsbetrug der AOK Brandenburgs feststellen. Nach entsprechenden Hinweisen von Patienten ermittelten sie bei Stichproben auf Anhieb 35 Apotheken und Sanitätshäuser, die getrickst hatten: Anstatt ihren Kunden die auf dem Rezept vermerkten „anatomisch geformten Vorlagen, Größe 3“ abzugeben, lieferten sie ihnen so genannte Tena Lady-Vorlagen. Bei den Kassen rechneten sie allerdings die ärztlich verordneten Produkte mit 53 Cent pro Stück ab. Für Tena Lady hätten sie nur 19 Cent bekommen. „Damit ist den Kassen ein Schaden von mindestens 45 000 Euro entstanden“, sagte AOK-Sprecher Jörg Trinogga dem Tagesspiegel. Da die Task Force bislang nur einen der fünf Regionalbezirke in Brandenburg kontrolliert habe, müsse man von der fünffachen Schadenssumme ausgehen.

Die meisten Ertappten zahlten die Differenzbeträge inzwischen an die Kassen zurück. Wie der Tagesspiegel aus Apothekerkreisen erfuhr, gibt es immer wieder Ärger mit den Windeln für Inkontinenz-Patienten. „Die Ärzte verschreiben oft Produkte, die unbequem sind“, sagte ein Apotheker, der anonym bleiben wollte: „ Die Kunden verlangen dann von sich aus eine andere Marke, zum Beispiel Tena Lady. Die kostet uns im Einkauf um die 70 Cent pro Stück. Von einem Gewinn kann also keine Rede sein – selbst wenn wir von den Kassen 53 statt 19 Cent erstattet bekommen.“

Für AOK-Sprecher Jörg Trinogga sind das fadenscheinige Argumente: „Es bleibt Betrug – auch wenn Apotheker uns versichern, sie hätten nur die Wünsche der Kunden erfüllt. Sie müssen sich aber an die ärztliche Verordnung halten. Der richtige Weg kann nur darin bestehen, dass die Patienten mit ihrem Arzt reden, wenn sie mit dem verschriebenen Produkt nicht einverstanden sind.“

Es kommt schon vor, dass Patienten direkt Tena-Lady-Einlagen verlangen, erzählt die Ärztin Angelika Prehn: „Aber die verschreiben wir schon lange nicht mehr. Wir müssen uns danach richten, was preisgünstig und was medizinisch erforderlich ist. Wenn jemand darüber klagt, dass ihm das Wasser die Beine hinunterläuft, dann braucht er einfach dickere Windeln. Hier geht es um die Krankheit Inkontinenz. Wer nur ab und zu ein paar Tröpfchen verliert, der muss eben selbst zahlen.“

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