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Brandenburg: Deutsch-polnische Grenze: Geheimnisvoller Treffpunkt im Wald

Der Ukrainer am Steuer eines etwas älteren Audi 100 fiel am deutsch-polnischen Grenzübergang Guben zunächst nicht besonders auf. Visum, Pass und Fahrzeugpapiere waren in Ordnung.

Der Ukrainer am Steuer eines etwas älteren Audi 100 fiel am deutsch-polnischen Grenzübergang Guben zunächst nicht besonders auf. Visum, Pass und Fahrzeugpapiere waren in Ordnung. Der Einreise nach Deutschland stand an diesem Abend also nichts mehr im Wege. Erst als die Grenzschützer den Kofferraum öffnen ließen, wurden sie stutzig.

So viele Koffer und Taschen erschienen den Beamten für einen allein reisenden Mann doch recht ungewöhnlich, zumal sich vor den Rücksitzen auch noch Gepäck befand. "Alles Kleidung für Familie in Deutschland", sagte er und verwirrte damit die Kontrolleure noch mehr. Gewöhnlich stoßen sie auf solche prall gefüllten Koffer eher in der entgegengesetzten Richtung.

Dennoch bekam der Ukrainer das Signal zum Passieren der Grenze. Im gleichen Moment aber erhielt der Streifenwagen hinter dem Grenzübergang Order, den Audi möglichst nicht aus dem Auge zu lassen. Tatsächlich sollten sich merkwürdige Dinge zutragen.

Zunächst fuhr der Mann in eine Seitenstraße und hantierte auf dem Beifahrersitz mit Papieren und anderen zunächst nicht erkennbaren Utensilien. Wenig später brauste er aus der Stadt in Richtung Neiße. In einem Waldstück zwischen Guben und Forst bog das Auto ab und stoppte.

Die Scheinwerfer verloschen. Jetzt half den Beamten vom Bundesgrenzschutz nur noch das Nachtsichtgerät. Darauf erkannten sie drei eilig zum Auto laufende Personen. Nach wenigen Augenblicken startete der Audi und fuhr zurück auf die Bundesstraße in Richtung Berlin. Auf das Blaulicht der BGS-Streife reagierte der Fahrer sofort. Seelenruhig reichten die Insassen ihre Papiere heraus. Jetzt waren die BGS-Leute doch überrascht. Alles schien sauber zu sein, sogar die laufende Nummer des Kontrollstempels vom Gubener Grenzübergang stimmte.

Einer zufällig vorbeikommenden Streife wäre der Schwindel wahrscheinlich gar nicht aufgefallen. So aber wusste die Besatzung Bescheid. Die drei Personen hatten das Auto auf polnischem Gebiet verlassen und waren im Schlauchboot einer Schleuserbande über die Neiße gekommen. Am deutschen Ufer holte sie der Autofahrer ab.

Für Bodo Kaping, stellvertretender Leiter des Grenzschutzamtes Frankfurt (Oder), ist diese Geschichte ein Beispiel für immer raffinierter werdende Schleusermethoden. "Die international operierenden Banden spähen uns aus, werden in den Fälschungen immer professioneller und denken sich vor allem immer neue Dinge aus", sagt der 42-Jährige. Da gleicht die Überwachung der 256 Kilometer langen Grenze zu Polen in Brandenburg oft einem Katz-und-Maus-Spiel. Weder die oft Niedrigwasser führende Oder, noch die ohnehin schmale Neiße stellen für Schleuser und Schmuggler große Hindernisse dar. Neun Kilometer im Norden verläuft die Trennlinie ohnehin auf dem Land.

Um 30 Prozent hat die Zahl der festgestellten und verhinderten illegalen Anreisen nach Deutschland im ablaufenden Jahr gegenüber 1999 im brandenburgisch-polnischen Grenzgebiet zugenommen. Rund 1300 Personen wurden dabei festgenommen. Die Dunkelzahl dürfte weit darüber liegen. Allerdings hat die Grenze zu Polen ihren einstigen Spitzenplatz in der Statistik der illegalen Einwanderer verloren. Diese konzentrieren sich mehr und mehr auf das Grenzland zu Tschechien, wo in diesem Jahr bisher mehr als 10 000 so genannte Aufgriffe registriert wurden.

Bodo Kaping vom Frankfurter Grenzschutzamt glaubt an einen Verdrängungsprozess nach Süden. "Unsere Zusammenarbeit mit den polnischen Kollegen funktioniert immer besser", sagt er. "Wir stimmen gemeinsame Kontrollaktionen ab, beteiligen uns gegenseitig an Razzien bei vermuteten Unterschlüpfen von Schleusern und Schmugglern und haben ganz einfach einen viel kürzeren Draht miteinander als früher." Seit Jahren gehen polnische und deutsche Grenzschützer gemeinsam auf Streife. Auf diesen Druck stelle sich eben auch die andere Seite ein.

Außerdem dürfte sich der verstärkte Schutz der polnischen Ostgrenze zu Russland, Weißrussland und der Ukraine herumgesprochen haben.

Mit Blick auf den für 2004 erwarteten EU-Beitritt und der damit wegfallenden Personenkontrollen konzentrierte Polen den Grenzschutz im Osten. Es verlangt zudem von immer mehr Staaten der ehemaligen Sowjetunion Einreisevisa. Solche Abkommen sollen vor dem EU-Beitritt auch mit Russland, der Ukraine und Weißrussland geschlossen werden.

Doch das Beispiel des ukrainischen Audi-Fahrers zeigt, dass die deutsch-polnische Grenze auf den Routenkarten der Schleuser nach wie vor eine wichtige Rolle spielen. Vor allem Menschen aus Osteuropa und Asien werden auf diesen Weg in die Bundesrepublik gebracht. "Es gibt Garantie-Schleusungen für 15 000 bis 25 000 Dollar", sagt Kaping. "Sollte es beim ersten Mal mit dem illegalen Grenzübertritt nicht klappen, folgen ein zweiter oder dritter Versuch."

Im Unterschied zu früher finden die meisten Fahrten im Schlauchboot über Oder und Neiße nicht mehr in der Nacht statt. "Wir können mit unseren Wärmebildkameras rund fünf bis sechs Kilometer jede Bewegung an den Ufern beobachten", erklärt Polizeihauptmeister Peter Schneider.

"Das wissen natürlich die Schleuser und Schmuggler. Aber sie kennen nachts nie den genauen Standort unserer Wagen mit der auf dem Dach montierten Kamera." Am Tag aber sei so eine Deckung schwer möglich. Da könnten die oft bewaffneten Banden schon sehr genau den passenden Moment des Grenzübertritts abpassen.

Keine Entwarnung gibt es nach Auskunft des BGS beim Zigaretten- und Rauschgiftschmuggel. Doch auch hier haben sich die Wege etwas verändert. Vor allem Lastwagen und Schiffe werden inzwischen so geschickt umgebaut, dass das Risiko des Auffliegens möglichst gering ist.

Die Gewinnspanne bei einem mit unverzollten Zigaretten vollgestopften Lkw liegt im Vergleich zum beladenen Schlauchboot auch viel höher. "Im Schnitt kontrollieren unsere Beamten in einer Stunde 60 bis 70 Lkw", berichtet Bodo Kaping. "Da kann es meist nur Stichproben geben." Oft helfe aber auch die "Spürnase" der Grenzschützer, wie im Fall des ukrainischen Schleusers.

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