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Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande bei einem Treffen in Strasbourg am 7. Februar.

© Patrick Seeger/Reuters

Deutschland, Frankreich und die Flüchtlinge: Merkel und Hollande sind Partner ohne Plan

Früher haben sich Deutschland und Frankreich gemeinsam als Krisenmanager bewährt. Aber das funktioniert nicht mehr. In der Flüchtlingspolitik suchen sie nun erneut den Schulterschluss. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Es gibt Termine in der Politik, bei denen die Symbolik mindestens genauso wichtig ist wie die Substanz. Der Besuch von Angela Merkel am Freitag bei François Hollande gehört dazu. Die Kanzlerin und Frankreichs Staatschef können bei ihrem gemeinsamen Auftritt im Elysée-Palast zeigen, was die Stunde in der Flüchtlingskrise geschlagen hat.

Für Europa, für Berlin und Paris, steht enorm viel auf dem Spiel: der Bestand des kontrollfreien Reisens im Schengen-Raum, der Zusammenhalt zwischen „alten“ und „neuen“ EU-Staaten und die Einsicht, dass gemeinschaftliche Lösungen allemal besser sind als die Kleinstaaterei einzelner Ländergruppen.

Neu ist diese Erkenntnis allerdings nicht. Und damit drängt sich die Frage auf, warum Merkel und Hollande erst jetzt den Schulterschluss suchen. Für die Kanzlerin und die CDU kommt der Besuchstermin im Elysée-Palast eine gute Woche vor den Landtagswahlen zu einem günstigen Zeitpunkt. Er ermöglicht es Merkel, der Öffentlichkeit zu signalisieren, dass sie in der Flüchtlingskrise in Europa keineswegs isoliert ist.

Aber stimmt das? Der gemeinsame Auftritt mit Hollande würde tatsächlich Substanz bieten, wenn sich der französische Staatschef beispielsweise zu einer nennenswerten Aufnahme der Flüchtlinge bereit erklären würde. Dass Frankreich lediglich 30.000 Flüchtlinge im Zuge der beschlossenen Umverteilung aufnehmen will, ist alles andere als ein Ruhmesblatt für die „Grande Nation“. Ein derart schwacher Beitrag lässt sich auch nicht damit entschuldigen, dass der rechtspopulistische Front National immer stärkeren Zulauf erhält.

Allerdings täuscht das Bild, demzufolge Merkel in Europa als Einzige eine „Willkommenskultur“ vertritt, während Hollande Migranten am liebsten draußen halten will. Zwar konnte die Kanzlerin den Kurs der Öffnung gegenüber den Migranten im vergangenen Jahr lange Zeit politisch gut durchhalten, eben weil Deutschland in Europa wirtschaftlich viel besser dasteht als die EU-Partner. Doch inzwischen ist auch Merkel mehr oder weniger geräuschlos auf eine Linie eingeschwenkt, die Hollandes Abschottungsstrategie gar nicht so unähnlich ist. Idomeni ist nicht Budapest, so lautet jetzt auf einmal ihr Credo.

Anders als im vergangenen September, als sie den in Ungarn festsitzenden Flüchtlingen zu Hilfe kam, ist von einem „Durchwinken“ keine Rede mehr. Im Gegenteil: Vor dem wichtigen EU-Gipfel am Montag dürfte es Merkel und Hollande vor allem darum gehen, dass die EU-Außengrenze nur noch für wirklich schutzbedürftige Flüchtlinge die Möglichkeit zur Weiterreise bietet.

Als Minimalkonsens wäre das aber sehr wenig für zwei EU-Partner, die sich in der Vergangenheit – etwa im Griechenland-Drama – durch den Ausgleich ihrer Interessen bislang als verlässliche Krisenmanager bewährt haben. Es ist eine besondere Ironie, dass Merkel ihre bedeutungsschwere Reise nach Paris just zu dem Zeitpunkt antritt, da der wirtschaftliche Bedeutungsverlust Frankreichs auch statistisch belegt ist: Zum ersten Mal seit vier Jahrzehnten ist Deutschlands wichtigster Handelspartner nicht mehr Frankreich – sondern die USA. Da ist es mehr denn je geboten, dass das deutsch-französische Duo jetzt in der Flüchtlingskrise zu einer gemeinsamen Sprache findet, welche die humanitären Notwendigkeiten klar benennt und jenseits der Symbolik auch glaubwürdig ist.

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