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Brandenburg: Die Bürde des Alters

In der Berliner Restaurierungswerkstatt Gerhard Thurow wird altes Holz wieder aufgemöbelt

Aus dem Radio erklingt Klassikmusik, vereinzelt liegen Hobelspäne auf dem Parkettboden. Vorsichtig, fast liebevoll streicht Stefan Wümmer mit dem Zeigefinger über die Lehne eines Jugendstilsofas – und entdeckt lauter Nägel. Mit einer Zange zieht der 25-Jährige Nagel für Nagel aus dem fast 150 Jahre alten Birkenholz. Es ist Samstagmorgen. Eigentlich hätte Wümmer heute frei. Aber in Berlin ist „Tag des offenen Denkmals“ – und da öffnet auch die Möbel-Restaurierungswerkstatt Gerhard Thurow in der Marienburgerstraße 27 im Prenzlauer Berg Neugierigen die Türen. Inhaber Gerhard Thurow ist heute krank, deshalb hält seine Ehefrau Hermine gemeinsam mit Praktikant Wümmer die Stellung – Wümmer in der Holzwerkstatt, Thurow in der Polierwerkstatt, wo schon einige fertige Möbelteile transportbereit stehen: Ein altes Nähtischchen und ein Wandschrank strahlen in frischer Politur, ein Ohrensessel und ein Schaukelstuhl warten noch auf den letzten Schliff.

„Ganz schön viel Werkzeug“, staunt Besucherin Waltraud Fellberg über die vielen Feilen, Hobel und Drechselwerkzeuge, die in der rund 140 Quadratmeter großen Werkstatt an den Wänden hängen. Schraubzwängen von 0,1 bis 1,6 Meter Länge, Schraubenschlüssel in allen Größen. Alles, was man für die Restaurierung von Stilmöbeln und Kunstgut aus Holz braucht. Und in einem Hinterzimmer lagert jede Menge Holz. Eiche, Mahagoni, Ebenholz – sogar ganze Baumstämme mit Rinde finden sich hier.

„Das ist alles so konkret“, ist Besucherin Fellberg begeistert und fährt mit der Hand über eine der alten Werkbänke. Über 50 Jahre seien diese alt, erklärt Wümmer ihr und widmet sich dann wieder dem Jugendstilsofa. Für den 25-Jährigen ist sein Beruf mehr als nur eine Erwerbsarbeit. „Ich habe schon mit vier Jahren gewusst, dass ich Tischler werden will“, sagt der Praktikant. Ungefähr drei Wochen wird das Sofa ihn wohl noch beschäftigen. Die Rückenlehne ist dreifach gebrochen, ein Teil eines Fußes muss nachempfunden, ergänzt und die Sitzfedern wieder neu befestigt werden. Dabei ist das Sofa noch eines der besser erhaltenen Stücke, das in der Werkstatt gelandet ist. Würmer haben es bisher verschont. Das Sofa ist ein Privatauftrag, aber auch Museen gehören zum festen Kundenstamm der Restaurierungswerkstatt.

Aus dem Nebenzimmer dringt Kinderlachen in die Holzwerkstatt. Ganze Familien hat der Denkmalstag in die Marienburgerstraße gelockt. „Eine Werkstatt und Kaffee und Kuchen – das ist ein Samstagvormittagsvergnügen“, findet Elke Linder-Buchholz aus Pankow, während ihr Sohn die Kreissäge bestaunt. Viola Volland

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