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Brandenburg: Die KGB-Zentrale: Nicht mehr heimlich, sondern heimelig 40 Luxuswohnungen im Kaiserin-Augusta-Stift, einst Mädcheninternat und Spionagebüro

Potsdam – Die augenscheinlichsten Hinterlassenschaften finden sich im Garten. Zwei etwa acht Meter hohe Flutlichter stehen in der Mitte neben einem stillgelegten Brunnen.

Potsdam – Die augenscheinlichsten Hinterlassenschaften finden sich im Garten. Zwei etwa acht Meter hohe Flutlichter stehen in der Mitte neben einem stillgelegten Brunnen. Die meisten hier herausführenden Fenster mit den Bögen aus rotem Naturstein sind vergittert. Drinnen aber muss man ein wenig aufmerksamer nach Erinnerungsstücken an die letzten Bewohner des Hauses suchen: Einen doppelten Fußboden haben Bauarbeiter in einem Seitenflügel freigelegt. Von einem Zimmer gehen drei Stahltüren ab, wie man sie von Tresoren kennt. Auch die Wände des Zimmers waren mit Metall verkleidet, erzählt Ingo Bethge. „Hier musste wohl alles abhörsicher sein. Wahrscheinlich war das der Funkraum.“

Bethge ist Projektleiter bei der PVP, der Prinz von Preußen Bauträgergesellschaft, der das Kaiserin-Augusta-Stift gegenüber vom Neuen Garten in Potsdam gehört. Das Unternehmen ist auf die Umwandlung historischer Gebäude in Eigentumswohnungen spezialisiert, aber sogar den Fachmann Bethge fasziniert die Geschichte des Prachtbaus: Der mögliche Funkraum stammt aus der Zeit, als das Stift dem KGB gehörte. Der sowjetische Geheimdienst errichtete hier nach 1945 seine Europazentrale und zog erst 1994 wieder aus. Seitdem steht das Haus leer. Vom kommenden Frühjahr an lässt die PVP das einem neoromanischen Schloss nachempfundene Gebäude restaurieren und darin rund 40 Luxus-Eigentumswohnungen bauen.

Behutsam müssen die Restauratoren bei der Wiederherstellung des Gebäudes vorgehen, denn es steht unter Denkmalschutz. Außerdem sind die Türmchen auf dem Dach vom Pfingstberg aus zu sehen. Der gehört zum Unesco-Weltkulturerbe. Keine Bausünde darf den Blick vom Pfingstberg auf das Augusta-Stift trüben. Dem Interesse tut das keinen Abbruch. Rund 20 Wohnungen seien schon verkauft, etwa zehn reserviert, sagt Bethge. Kein Wunder: „Nebst Komfort bietet die Anlage ja auch Unterhaltungsstoff.“

Das wäre auch ohne KGB so: 1931 diente das Stift als Filmkulisse für das Internatsdrama „Mädchen in Uniform“. Der Film basiert auf dem Buch einer ehemaligen Schülerin, denn vor den Sowjet-Agenten wohnten und arbeiteten im Stift junge Frauen. Kaiserin Augusta, Ehefrau des deutschen Kaisers Wilhelm I., hatte 1872 ein Internat „zur Erziehung hilfsbedürftiger Töchter von auf dem Felde der Ehre gebliebenen Offizieren und Geistlichen“ gegründet. Zunächst war es in Berlin-Charlottenburg untergebracht, 1902 zog es nach Potsdam. Kaiser Wilhelm II., der Enkel Augustas, eröffente den Neubau damals, den die letzten Schülerinnen 1945 verließen.

Bethge hat kürzlich ehemalige Internatsschülerinnen durch das Gebäude geführt. Gerührt seien sie gewesen, besonders, als eine von ihnen in der Musterwohnung ihr früheres Klassenzimmer wiedererkannte.

Ausgerechnet in der ehemaligen Kapelle hängt ein Stuckbildnis von Lenin. Statt auf einen Altar blickte der Gründer der Sowjetunion bis Mitte der 50er Jahre auf einen Richtertisch: Wo einst die Internatsschülerinnen ihre Morgenandacht abgehalten hatten, verurteilte das sowjetische Militärtribunal politische Gefangene zum Tode, zum Aufenthalt in einem Gefangenenlager oder zu Haftstrafen.

Die beiden so unterschiedlichen Epochen des Stifts sollen nicht in Vergessenheit geraten, darum plant die PVP einen Ausstellungsraum. Ginge es nach Bethge, bliebe Lenin deshalb in der früheren Turnhalle hängen, „als Zeugnis für die unglaubliche Geschichte, die hinter dem Haus steckt“. Doch das letzte Wort darüber hat die dritte Generation von Augusta-Stift-Bewohnern. Im August 2007 sollen sie hier einziehen können.

Nicole Diekmann

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