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Ein Blick in die Koje der Berliner Galerie Dittrich und Schlechtriem auf der Art Berlin, die noch bis Sonntag um 16 Uhr geöffnet hat.

© Jens Ziehe/VG Bildkunst,Bonn 2017.

Die Kunstmesse Art Berlin: Ganz anders

Berlin hat eine neue Verkaufsmesse: Die ABC heißt nun Art Berlin, hat 110 Teilnehmer und ist kaum wiederzuerkennen. Ein Rundgang zur Berlin Art Week

Gern würde man die Art Berlin zur Galeristin Tanja Wagner schicken. Dann könnte sich die Messe ihre Zukunft voraussagen lassen, denn dafür sitzt Annabel Daou in der Messekoje der Galerie: Die Künstlerin liest den Besuchern zur Premiere der Art Berlin aus der Hand und schreibt ihnen anschließend kleine Zettel. Aber diese Begegnung ist purer Wunsch, eine Messe lässt sich nun einmal nicht personifizieren. Es sei denn, man hält sich an Maike Cruse als Direktorin der Veranstaltung: Dann bekommt die Art Berlin ein Gesicht.

Cruse hat die neue Verkaufsplattform für Berliner und internationale Galerien erfolgreich eröffnet. Sie bespielt zur Berlin Art Week zwei große Hallen und einen kleinen Appendix der Station am Gleisdreieck und versammelt 110 Teilnehmer aus 16 Ländern. Gemeinsam geben sie einen Überblick auf das, was im zeitgenössischen Kunstmarkt wichtig und interessant ist. Skulpturen etwa von Haegue Yang (Galerie Barbara Wien), die soeben den renommierten Wolfgang-Hahn-Preis gewonnen hat, der sich mit einer großen Ausstellung 2018 im Kölner Museum Ludwig verknüpft. Objekte von Andreas Schmitten, Träger des aktuellen Berliner Falkenrot-Preises und gerade mit einer Ausstellung im Künstlerhaus Bethanien präsent. Oder Fotografie von Bernd und Hilla Becher, deren schwarz-weiße Bilderserie vergangener Industriearchitektur am Stand der Kunsthandlung Schönewald Fine Arts (Düsseldorf) mit 110 000 Euro zu den hochpreisigen Angeboten zählt.

Wer lieber Entdecker ist, der steuert erst einmal den Stand der Galerie Crone an, die schwebende Zeichnungen von Constantin Luser anbietet. Zwischen 5000 und 9000 Euro kosten die luftigen Objekte aus gebogenem und geschwärztem Messing. Malerei überzeugt bei Galerien wie Meyer Riegger, die die eindringlichen Gesichter und Körperstudien von Miriam Cahn mitgebracht hat – jener Schweizer Künstlerin, die auch auf der jüngsten Documenta vertreten ist.

Die Kölnmesse hat die Berliner Messe zu hundert Prozent übernommen

Videos dagegen sind kaum auf der Art Berlin zu sehen, und auch die Protagonisten der Post Internet Art, die ihr Material bevorzugt aus dem Bilderstrom des Worldwideweb ziehen, längst nicht so präsent wie im vergangenen Jahr. Am selben Ort. Da hieß die Messe noch Art Berlin Contemporary (ABC) und war ein Experiment: ganz auf Zeitgenössisches konzentriert und einen Künstler pro Koje. Ästhetisch war das oft reizvoll, kommerziell hat es jedoch nicht funktioniert. Am Schluss leisteten sich vor allem die großen Berliner Galerien während der Art Week ein Schaufenster – die jungen Kunstvermittler und -verkäufer blieben weg.

Anfang 2017, im neunten Jahr ihres Bestehens, erklärte Maike Cruse die ABC deshalb für tot. Zur selben Zeit hätte sie gern mit Vertretern des Berliner Senats über ein anderes Modell gesprochen, das nicht allein von einer Handvoll Berliner Galerien organisiert und finanziell verantwortet wird. Aber niemand habe reagiert, sagt sie nun offen und immer noch sichtlich enttäuscht. Dass Cruse dennoch im „Station“ stehen und als ehemalige wie aktuelle Chefin die Eröffnung der neuen Messe Art Berlin verkünden konnte, verdankt sich einem anderen Partner: der Kölnmesse. Sie trägt ab jetzt das Berliner Format.

Die Art Berlin findet sich am Gleisdreieck in der Luckenwalder Straße.
Die Art Berlin findet sich am Gleisdreieck in der Luckenwalder Straße.

© dpa/Britta Pedersen

Wie abgefahren. Die Konkurrenz – in Köln findet mit der Art Cologne alljährlich die wichtigste deutsche Kunstmesse statt – rettet den Marktplatz in der Hauptstadt. Auf der Suche nach Möglichkeiten zur Expansion hat sie den schwächelnden Standort für sich entdeckt. Und sieht offenbar Chancen in der nahen Zukunft. Obwohl die Galerien erst im Mai dieses Jahres von den Plänen informiert wurden, sind mit 110 Teilnehmern doppelt so viele wie im vergangenen Herbst am Start. Die Ausstellungsarchitektur der Halle ist klassisch in Kojen unterteilt – und hebt sich dennoch wohltuend von der Eintönigkeit anderer Messen ab.

Rund 30 Galerien konzentrieren sich bei der Art Berlin auf Solo-Schauen

Dass hier jeder nun zeigen könne, was er wolle, hat Maike Cruse zum Auftakt der Art Berlin gesagt. Das stimmt nicht ganz, denn diesmal gab es angesichts der drängenden Zeit noch keine Möglichkeit, sich als Galerie zu bewerben. Man wurde eingeladen – und die Verantwortlichen waren sehr klar in ihrem Konzept, das auch visuell aufgeht. Es ging um junge, aufstrebende Galerien wie die Berliner Kraupa-Tuskany Zeidler, Dittrich und Schlechtriem oder Alexander Levy. Sie zeigen das Neue, Überraschende, Andere. Hinzu gesellen sich etablierte Adressen wie Jahn und Jahn aus München, der Werke etwa von Imi Knoebel präsentiert: Folienarbeiten aus dem Jahr 1990 und kleine Papierarbeiten aus den frühen siebziger Jahren. Bei Fischer Kunsthandel, ebenfalls aus Berlin, staunt man über eine Wand mit Bildern von Otto Dix. Rund 30 Galerien haben sich dafür entschieden, die alte ABC-Idee von der Soloschau wieder aufzunehmen, sie konzentrieren sich in ähnlicher Klarheit auf einen einzigen Künstler. Auch das trägt zur Beruhigung und Überschaubarkeit bei.

Ausgewogen ließe sich die Mischung nennen, Pluralität herrscht vor, die Preise beginnen bei tausend Euro und machen auch diesmal nicht vor der Millionengrenze hat: Die Berliner Galerie Aurel Scheibler hat ein Gemälde der US-amerikanischen Künstlerin Alice Neel dabei, das diese Höhe streift. Daniel Hug, Direktor der Art Cologne und nun beratend für die Art Berlin tätig, scheint im Rheinland ganze Arbeit geleistet zu haben. Ein Schwung jener Galeristen, die sonst im Frühjahr das Bild der Kölner Messe prägen, ist nun in der Hauptstadt präsent: Klaus Benden, Samuelis Baumgarte mit einer Einzelpräsentation des Zero-Künstlers Heinz Mack, aus Düsseldorf kommen Schönewald Fine Art, Sies + Höke oder die Setareh Gallery. Mit ihnen erweitert sich ebenfalls das Angebot. Ein Grund, weshalb auch der Zusatz „Contemporary“ aus dem Namen der Art Berlin verschwunden ist. Man findet nun erstmals Kunst von Andy Warhol oder Tom Wesselmann, beides große Pop-Artisten, deren kleine Arbeiten bei Benden dennoch zu Preisen bei 13 000 Euro zu haben sind. Es gibt Arbeiten von Gerhard Richter, Sigmar Polke, Karin Kneffel, Gotthard Graubner und eben Mack. Sichere Positionen, für die sich viele Sammler interessieren.

Viele Galerien reklamieren die erste Ausgabe der Art Berlin als gemeinsamen Neubeginn

Ein paar Ausreißer sind dabei, sicher. Manche Galerie legen die Kunst so wurstig in den Kojen aus, dass man sofort an Ware denkt. Doch das sind Ausnahmen. Ihnen gegenüber stehen programmatische Stände wie von Michael Haas, wo sich Werner Heldt, Markus Lüpertz, Heinz Butz und Leiko Ikemura begegnen. Ganz konsequent ist die Zürcher Galerie Dierking, die ausschließlich schwarz-weiße Arbeiten präsentiert und darüber hinaus mit Wolfgang Ludwig einen Vertreter der Op Art (ab 24 000 Euro), dessen rares Werk vorrangig an Museen veräußert werden soll. Die Liste ließe sich fortsetzen mit Zilberman Gallery, PPC aus Frankfurt, Carlier Gebauer oder Wentrup. Sie alle reklamieren diese erste Ausgabe der Art Berlin als einen gemeinsamen Neubeginn, an dessen Ende eine Kunstmesse mit Gewicht und internationaler Strahlkraft stehen soll.

Der Anfang ist gemacht, und es sieht richtig gut aus.

Art Berlin, Station, Luckenwalder Str. 4-6; bis 17.9., Sa 11–19 Uhr, So 11–16 Uhr

Mehr zur Berlin Art Week finden Sie hier: www.tagesspiegel.de/berlin-art-week

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