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Brandenburg: Die letzten Widerstandsnester verschwinden

Von Thorsten Metzner Potsdam. Brandenburg war einmal das Land mit den meisten kleinen, eigenständigen Dörfern in der Bundesrepublik Deutschland.

Von Thorsten Metzner

Potsdam. Brandenburg war einmal das Land mit den meisten kleinen, eigenständigen Dörfern in der Bundesrepublik Deutschland. Die märkischen Kleinstdörfer, die bislang das Fontane-Land prägen, werden bis zum Jahr 2003 von der Verwaltungs-Landkarte verschwunden sein. Dabei hatten nicht wenige Skeptiker dem brandenburgischen Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) prophezeit, dass er Schiffbruch mit seiner radikalen Reform der märkischen Gemeindestrukturen erleiden würde. Schließlich war schon sein Vorgänger Alwin Ziel daran gescheitert: Er wagte nur ein einziges Mal einen halbherzigen Anlauf, schreckte aber nach dem ersten Sturm der Entrüstung zurück. Danach legte die SPD-Alleinregierung in Potsdam das Projekt erst einmal auf Eis.

Aber Jörg Schönbohm, der als Berliner Innensenator die Reduzierung der Stadtbezirke durchgesetzt hatte, ließ sich von Widerständen – selbst aus der eigenen Partei – nicht beirren: Das Kabinett gab im Jahr 2000 einstimmig grünes Licht für das unpopuläre Vorhaben, die Koalitionsfraktionen zogen mit.

Selbst der eher als konfliktscheu geltende brandenburgische Regierungschef Manfred Stolpe (SPD) schlug sich öffentlich in die Bresche, versuchte Ängste im Lande auszuräumen: „Es geht nicht um das Plattmachen von Dörfern.“ Aber der befürchtete „Aufstand der Märker“ blieb aus: Vor Ort war die Einsicht größer als erwartet, stellte man verblüfft fest. Die Zahl „gallischer Dörfer“ so Schönbohm einmal erleichtert, sei geringer als befürchtet.

So lief tatsächlich bald die erhoffte Fusionswelle auf Hochtouren, bei der sich die aus Sicht von Regierung und Kommunalexperten auf Dauer nicht lebensfähigen Minidörfer - bis Ende März 2002 geschah es noch auf freiwilliger Basis und mit einer Prämie aus dem Landessäckel geködert - zu größeren, effizienteren Einheiten zusammenschlossen.

Anders als sein Vorgänger, der flächendeckend Einheitsgemeinden durchsetzen wollte, favorisierte Schönbohm dabei ein differenziertes Modell für das Umland und die berlinfernen Regionen: Während es im „Speckgürtel“ nur noch amtsfreie Einheitsgemeinden mit mindestens 5000 Einwohnern geben wird, können in der Peripherie die bisher existierenden Verwaltungsämter bestehen bleiben, die schon jetzt für mehrere Dörfer die Verwaltungsarbeit erledigen. Allerdings dürfen künftig nur noch bis zu sechs Gemeinden, keine unter 500 Einwohnern, zu einem solchen Amt gehören.

„Schönbohm gliedert Stolpe ein“, so lautete jetzt die jüngste Siegesmeldung aus dem Innenministerium, triumphierend-zweideutig formuliert. Mit dem Zusammenschluss der Nordberliner Gemeinde mit der Stadt Hohen-Neuendorf, zählt Brandenburg nur noch 858 Gemeinden: 1479 Gemeinden waren es noch vor der Reform. Als Zielmarke hat Schönbohm einmal 600 bis 700 Gemeinden genannt. Noch 39 Verträge für freiwillige Fusionen mit 132 beteiligten Gemeinden liegen zur Genehmigung im Innenministerium. Und die verbleibenden rund 300 Mini-Gemeinden, die sich bislang hartnäckig verweigert haben? Denen drohen Zwangszusammenschlüsse durch den Gesetzgeber, die Anhörungen zu den 86 Fusions-Gesetzentwürfen haben begonnen.

Zwar stellt in der Großen Koalition diese Marschroute niemand in Frage: Die Reform soll vor der Kommunalwahl 2003 und der Landtagswahl 2004 abgeschlossen sein soll. Dennoch steckt bei den Zwangsfusionen genügend Zündstoff im Detail, wobei vor allem regionale Interessen eine Rolle spielen.

Politisch gesehen schälen sich noch zwei „harte Brocken“ heraus. So leistet in der CDU vor allem der einflussreiche CDU-Kreischef Potsdam-Mittelmarks Wolfgang Hackel Widerstand gegen die von Schönbohm geplante Zwangs-Eingemeindung der Gemeinde Golm in die Landeshauptstadt Potsdam. In einem Bürgerentscheid hatten sich die Golmer für ein Zusammengehen mit der Blütenstadt Werder ausgesprochen. Zu den Kritikern in Schönbohms eigener Partei zählt auch der Teupitzer Bürgermeister Karsten Kuhl. Aber auch in der SPD stoßen wiederum Pläne, die Orte Groß Gaglow, Gallinchen und Kiekebusch in die Lausitzstadt Cottbus einzugemeinden, auf Ablehnung.

Die Gemeindereform selbst aber, darüber herrscht Einigkeit bei den Politikern in SPD und CDU, kann dies alles wohl nicht mehr ernsthaft gefährden.

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