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Die Linke: Wieder Stasi-Fall im Potsdamer Landtag

Die Stasi-Verstrickungen im rot-roten Regierungsbündnis von Ministerpräsident Matthias Platzeck in Brandenburg reißen nicht ab: Vize-Landtagspräsidentin Stobrawa soll inoffizielle Mitarbeiterin gewesen sein.

Potsdam – Erneut erschüttert ein Stasi-Fall bei den Linken das von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) geführte rot-rote Regierungsbündnis: Nach Unterlagen der Birthler-Behörde war auch die Linke-Vize-Landtagspräsidentin Gerlinde Stobrawa, vor 1989 stellvertretende Vorsitzende des Rates des Bezirkes in Frankfurt/Oder, ab 1987 inoffizielle Stasi-Mitarbeiterin mit dem Decknamen „Marisa“. Es liegt zwar keine IM-Akte vor – sie wurde offenbar vernichtet. In Opferakten wurden jetzt aber Berichte von „Marisa“ gefunden, die Arbeitskollegen bespitzelt haben soll.

Die „Jamaika-Opposition“ im Landtag verlangte am Donnerstag Konsequenzen. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel forderte den Rücktritt Stobrawas: „Ein Abwahlantrag ist unvermeidlich“, sagte er. „Das Parlament ist vor der Wahl der Vizepräsidentin getäuscht worden.“ Niemand habe auf Stasi-Verstrickungen Stobrawas, selbst wenn diese 1991 schon einmal eine Rolle spielten, vor deren jetziger Wahl aufmerksam gemacht. CDU-Oppositionsführerin Johanna Wanka sagte mit Blick auf die nunmehr fünf früheren IM´s in der Linke-Landtagsfraktion: „Jeder Stasi-Fall ist ein Fall Platzeck.“

Platzeck dagegen verwies auf die Stasi-Überprüfung Stobrawas im Landtag 1991, bei der die Landtagskommission keine Empfehlung zur Mandatsniederlegung ausgesprochen hatte. Für ihn, so der Regierungschef, sei bisher „nicht erkennbar, ob es Erkenntnisse gibt, die 1991 nicht in die Bewertung einfließen konnten.“ Daher begrüße er es, „dass demnächst alle Landtagsabgeordneten genau wie die Minister und Staatssekretäre auf hauptamtliche und inoffizielle Stasi-Tätigkeit überprüft werden.“ Linken-Landeschef Thomas Nord betonte, der Fall sei „nicht neu“: Stobrawa, seit 1990 im Landtag, sei in der ersten Legislaturperiode überprüft worden. Die damalige Ehrenkommission habe den Fall als nicht gravierend eingestuft, da Stobrawa sich zwar zur IM-Tätigkeit verpflichtet hatte, sich aber sofort bei ihrem Arbeitgeber dekonspiriert und „nie Berichte“ geschrieben habe. Sie habe danach auch an Täter-Opfer-Gesprächen teilgenommen.

Nach den jetzt von der Birthler-Behörde freigegebenen Unterlagen war IM „Marisa“, 1987 registriert, 1988 zum IMS („Inoffizieller Mitarbeiter Sicherheit“) und im Januar 1989 sogar zum IME („Inoffizieller Mitarbeiter Experte“) aufgestiegen. Sie soll noch kurz vor dem Sturz des SED-Regimes 1989 bei einer Operativen Personenkontrolle mitgewirkt haben, bei der ein stellvertretender Abteilungsleiter für Jugendfragen im Rat des Bezirks Frankfurt (Oder) bespitzelt wurde. Nach in Opferakten gefundenen drei Berichten meldete „Marisa“ etwa, dass ein Mitarbeiter den Parteisekretär einen „Arsch“ genannt habe und einen Parteiorganisator ein „dummes Schwein“. Parteiversammlungen seien „sinnlose Zeitverschwendung“.

Aus der Linken hieß es, dass Stobrawa auch vor ihrer erneuten Nominierung für den Parlamentsvizeposten von sich aus „wie bei jeder Wahl vorher“ auf Kontakte zur Staatssicherheit hingewiesen und in der Fraktion von einer „Täterakte“ gesprochen hatte. Dies sei nicht mit dem Fall Hoffmann vergleichbar. Erst am Dienstag hatte die Linke den Lausitzer Abgeordneten Gerd-Rüdiger Hoffmann zum Mandatsverzicht aufgefordert, weil dieser – anders als die seit Jahren bekannten früheren Stasi-IMs Fraktionschefin Kerstin Kaiser, Parteichef Thomas Nord sowie die Abgeordneten Hans-Jürgen Scharfenberg und Axel Henschke – seine frühere Stasi-Mitarbeit als IM „Schwalbe“ von 1970 bis 1975 nicht offenbart und damit gegen einen Offenlegungsbeschluss seiner Partei von 1991 verstoßen hat.

Hoffmanns Anwalt Peter-Michael Diestel, der nach 1990 CDU-Fraktionschef im Brandenburger Landtag war, wirft der Linke-Führung wegen des Kurses Unglaubwürdigkeit vor: „Die Stasi jagt die Stasi – das ist ein Witz.“ Diestel war 1991 Mitglied der Landtags-Ehrenkommission zur Stasi-Überprüfung, der Theologen und von allen Fraktionen entsandte Vertrauenspersonen angehörten. Zur Causa Stobrawa sagte er: „Ich weiß, dass es ein minderschwerer Fall war. Die Kommission hat immer einstimmig entschieden.“ Damals seien diese Fälle „mit menschlichem Maß“ bewertet worden. Für die Opposition ist das Maß voll. CDU-Chefin Johanna Wanka verwies darauf, dass Linke-IMs im Landtag mit jetzt fünf Abgeordneten „Fraktionsstärke“ haben.

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