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Brandenburg: Die Männer von der Kita

In Cottbus werden Arbeitslose zu Erziehern ausgebildet – mit großem Erfolg

Von Sandra Dassler

Cottbus - Wenn Alex Ziesch (24) mit seiner Freundin durch die Stadt geht, kann es passieren, dass plötzlich ein Kind auf ihn zu stürmt. Wie kürzlich, als der vierjährige Luis bei seinem Anblick einen Freudenschrei ausstieß und an seinem Hosenbein klebte. Alex Ziesch ist einer von 19 ehemals arbeitslosen Männern, die momentan im Spree-Neiße-Kreis und in Cottbus zu Erziehern ausgebildet werden. Das landesweit einmalige Projekt wurde von der Berlin-Brandenburger Väterinitiative entwickelt. Die EU fördert es – auch, weil Deutschland wegen der verschwindend geringen Zahl von männlichen Erziehern in Kitas und Grundschulen schon in die internationale Kritik geraten ist.

Kinder, vor allem jene, die bei alleinerziehenden Müttern aufwachsen, brauchen aber dringend männliche Identifikationsfiguren, sagt Christian Bethke. Er ist Geschäftsführer des Berliner Instituts für Frühpädagogik, das die künftigen Cottbuser Erzieher theoretisch ausbildet. Jede dritte Woche drückt Alex Ziesch von Montag bis Freitag die Schulbank, in der restlichen Zeit arbeitet er in der Cottbuser Kita „Freundschaft“. Eigentlich hat der junge Mann eine Ausbildung zum Textilmaschinenführer absolviert, fand aber nach dem Wehrdienst keinen Job. Er wollte zum Erzieher umschulen, aber das wurde nicht bezahlt. Ein pfiffiger Mitarbeiter der Jobagentur wies ihn auf das im Oktober 2005 gestartete zweijährige Ausbildungsprojekt der Väterinitiative hin. Das war ein großer Glücksfall für ihn: „Ich freue mich jeden Tag auf meine Kinder“, sagt er. Dass Freunde ihn inzwischen „Hortnerin“ rufen, störe ihn nicht. Erstaunt sei er nur über die unterschiedliche Bewertung des Erzieherberufs: Seine Kumpel würden sagen: „Da kannst du ja ne ruhige Kugel schieben“, während Frauen ihn bewunderten: „Dass du dir diesen Stress als Mann antust . . .“

Sprüche, die eine Situation widerspiegeln, die Christian Bethke als „katastrophal“ bezeichnet. Obwohl gerade in den ersten Lebensjahren der Kinder die Weichen für ihre spätere Entwicklung gestellt werden, sei der soziale Status ihrer Erzieher in Deutschland gering. Sie würden auch weitaus schlechter bezahlt als beispielsweise Oberschullehrer. „Die skandinavischen Länder beispielsweise geben nicht mehr Geld für Bildung aus als Deutschland“, sagt Bethke: „Aber sie stecken mehr in den so genannten Elementarbereich. In Deutschland aber hat sich die finanzielle und personelle Ausstattung in Kitas und Grundschulen in den vergangenen Jahren eher verschlechtert.“

Das Cottbuser Pilotprojekt findet Bethke deshalb hervorragend. Er hofft, dass sich vor allem Berlin bald anschließt. Der Erfolg spreche für sich: Die künftigen Erzieher seien hoch motiviert, die Frauen in den Kitas und Horten froh über die männliche Unterstützung und die Kinder viel ausgeglichener. „Wahrscheinlich geht man als Mann einfach anders mit ihnen um“, sagt Alex Ziesch. Das Abklatschen mit „Gib fünf“ beispielsweise – so was würden die meisten Frauen einfach nicht machen.

Weitere Informationen im Internet unter www.vaeterinitiative.de

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