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Brandenburg: Die Mischung für das Mahnmal

In Joachimsthal entstehen die Stelen für das Berliner Denkmal für die ermordeten Juden – mit höchsten Ansprüchen an den verwendeten Beton

Joachimsthal. Vielleicht wird dies die erste von 2751 Stelen des Holocaust-Mahnmals in Berlin: In Halle 1 des Betonteilewerks Geithner und Söhne wird aus einem Mischwagen Beton in eine schwarze Metallform gegossen. Das Unternehmen mit 80 Mitarbeitern in Joachimsthal beginnt dieser Tage mit der Fertigung der Stelen für das Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Einige hohe Beton-Quader stehen schon in der Produktionshalle – doch bislang ist alles Ausschuss: abgebröckelte Kanten, ungleichmäßige Oberfläche. „Zuletzt hatten wir den falschen Sand“, erläutert Chefstatiker Ronald Heyer. „Jetzt aber wollen wir endlich in Serie gehen.“

Zement, Sand, Farbpigmente und Wasser – Beton herstellen hört sich einfach an. Trotzdem arbeiten die Ingenieure bei Geithner schon seit Monaten an der richtigen Mischung. Sogar mit dem Öl haben sie herumprobiert, mit dem die Gussformen beschichtet werden wie eine Kuchenform vor dem Backen. Am Donnerstag letzter Woche kam der Architekt des Denkmals, Peter Eisenman, eigens aus New York und hatte sich die ersten Prototypen zeigen lassen. Er war sehr zufrieden. Doch das Arbeiten an der richtigen Mischung der Baustoffe hat damit immer noch kein Ende – Beton ist ein schwieriges Material. Keine Stele wird hinterher haargenau aussehen wie die andere; so gleichmäßig wie irgend möglich aber sollen sie schon sein.

Betriebsleiter Hartmut Völkerling spricht deshalb von „unserem schwierigstem Projekt“. Und das nicht nur wegen Eisenmans hoher Ansprüche. Sichtbeton von solch hoher Qualität werde normalerweise liegend gefertigt: „Fünf Meter hohe Stelen im Stehen zu gießen, das hat noch keiner gemacht.“ Üblich sei es außerdem, kleine Fehler hinterher zu kaschieren, durch Anstrich oder Spachteln. Auch diese Kosmetik ist diesmal verboten. In der Branche hätten der Firma deshalb viele von dem Auftrag abgeraten, erzählt Völkerling, der diese Brandenburger Filiale des Wilhelmshavener Unternehmens von 1993 an aufgebaut hat. Beton, findet der 54-Jährige, habe zu Unrecht ein schlechtes Image: „Die Leute sind in Deutschland zu engstirnig.“ Sicher hätten aber auch die DDR-Plattenbauten dem Ruf des Materials geschadet. Völkerling selbst hat einst 16 Jahre lang bei einem Betonplattenwerk in Schwedt gearbeitet.

In Joachimsthal sind in den vergangenen zehn Jahren aus 20 Mitarbeitern 80 geworden, die Umsätze stiegen von Jahr zu Jahr. Nördlich des Werbellinsees liegt das Gelände, nahe einer Kiesgrube. In den vier Hallen, ebenfalls gefertigt aus nüchternem Geithner-Beton, sind schon Einzelteile des Berliner Kanzleramts, des neuen Tempodroms und der mexikanische Botschaft gefertigt worden. Um dafür den Beton zu mischen, reichten noch große Kübel. Die sind aber für die teilweise fünf Meter hohen Stelen des Mahnmals zu klein. In zwei Gängen gießen geht aber nicht, da sähe man hinterher den Übergang. Also hat die Firma einen Betonmischwagen gekauft.

13 Stelen werden so täglich produziert. Zwei Tage bleiben sie zum Aushärten stehen, bis sie aus ihrer Schale schlüpfen. Noch einmal ein kritischer Moment, denn hier kann leicht ein Stück Kante abbrechen. Mit einem solchem Makel wäre der Stele der Weg zum Mahnmalsgelände versperrt. Wenn erst die Serienproduktion begonnen habe, solle es gar keinen Ausschuss mehr geben, sagt Ronald Heyer. Zehn Millionen Euro bekommt das Unternehmen für 2751 Stelen. „Viel mehr als 100 Fehlproduktionen können wir uns von der Kalkulation her nicht leisten.“

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