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Brandenburg: Die neue Angst vorm bösen Wolf

Von Claus-Dieter Steyer Spremberg. Wölfe versetzen die Lausitzer in helle Aufregung.

Von Claus-Dieter Steyer

Spremberg. Wölfe versetzen die Lausitzer in helle Aufregung. Auf einer Weide in der Nähe von Mühlrose, zwölf Kilometer von der brandenburgisch-sächsischen Grenze entfernt, haben die Raubtiere 27 Schafe getötet. Das zuständige Sächsische Umwelt- und Landwirtschaftsministerium bestätigte gestern die Vermutung des Landwirts. Die Schafhalter ziehen inzwischen zu Nachtwachen auf und versuchen, die Tiere zu vertreiben.

„Alle in Mühlrose entdeckten Spuren sprechen für Wölfe“, sagte Gesa Kluth, Brandenburger Biologin und ausgewiesene Expertin für diese Tierart. Die Art der Tötung, die Hinterlassenschaften und nicht zuletzt die Beobachtung durch einen Anwohner ließen kaum Zweifel zu. Nach ihrer Vermutung waren mehr als zwei Wölfe in der Nacht zum Dienstag an dem bislang einzigartigen Vorgang beteiligt. „Die Tiere stammen mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem seit einigen Jahren auf dem Truppenübungsplatz bei Bad Muskau ansässigen Rudel“, erklärte Gesa Kluth. „Die jungen Tiere werden von ihren Eltern aus dem angestammten Revier vertrieben. Auf der Suche nach einem eigenen Terrain sind sie an die Schafherde geraten." Schon seit zehn Jahren gibt es in der dünn besiedelten Gegend Spuren von Wölfen. Sie schwimmen durch die Neiße oder überqueren bei einer Eisdecke den Fluss. Kürzlich war hier Nachwuchs bei einem Paar beobachtet worden – 150 Jahre nach der Ausrottung der Wölfe in Deutschland.

Dem Schafhalter Frank Neumann bot sich nach der nächtlichen Aktion ein grausames Bild. Allen 27 getöteten Muttertieren war die Kehle durchgebissen worden. Nur ein Schaf wurde fast komplett aufgefressen, unangetastet blieben Innereien, Kopf und Fell. Auf den sonst üblichen Hund zur Bewachung der Herde verzichtete der Landwirt ausgerechnet in dieser Nacht und verließ sich statt dessen auf einen elektrischen Zaun. Experten vor Ort vermuteten gestern, dass höchstwahrscheinlich die Schafe beim Anblick der Wölfe in Panik gerieten und beim Fluchtversuch den Schutzzaun selbst niedergetreten hatten. Den Verlust ersetzt das Landwirtschaftsministerium.

Neumann und seine Kollegen fürchten nun die Rückkehr der Wölfe. Schon 1998 haben sie Tiere auf einer Weide attackiert. Rolf Röder vom Bundesforstamt, zu dem der Truppenübungsplatz gehört, mahnte zur Vorsicht: „Wenn die jungen Wölfe erst einmal merken, wie leicht sie Schafe erlegen können, spezialisieren sie sich vielleicht auf diese Jagd." Derzeit schützen die Schafhirten ihre Herden mit dem Aufhängen von großen Lappen. „Das ist eine schon im Mittelalter gebräuchliche Methode“, sagte der sich im Brandenburger Landesumweltamt unter anderem mit Wölfen befassende Diplom-Biologe Jens Teubner. „Die Wölfe erschrecken sich vor großen Stoffen.“ Auf diese Art würden Wölfe auch aus ihren Verstecken gelockt und erschossen. Auch mit Geräuschen und Leuchtstoffpistolen wollen die sächsischen Bauern ihre Schafe schützen. Von Vorbereitungen auf der nahen Brandenburger Seite war gestern noch nichts bekannt.

Der Biologe Teubner warnte vor Panik. „Die Wölfe nähern sich den Menschen nicht. Es sind schlaue Tiere, die sich nicht in Gefahr begeben“, meinte er. Viel größere Schäden richteten wildernde Hunde an. „Jeder Wanderer oder Spaziergänger kann sich ohne Bedenken in die Wälder begeben. Wölfe wird er dort ohnehin kaum zu Gesicht bekommen." Seit 1990 wurden der Forschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft in Eberswalde etwa 20 Wolfsbeobachtungen gemeldet. Meist handelte es sich um Einzeltiere, die sich von Westpolen aus neue Reviere suchten. In Deutschland steht Isegrim unter strengem Schutz. Brandenburg mit seinen ausgedehnten Naturgebieten würde den Tieren gute Überlebenschancen auch außerhalb der Schafherden bieten.

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