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Brandenburg: Die neue Schaulust

Zur Eröffnung des Potsdamer Hans-Otto-Theaters kamen viele, die gar nicht rein durften. Nur zum Gucken

Potsdam – Theaterkarten wird sich Günther Roth nicht leisten. „Da ha’ ick’s Jeld nich zu“, erklärt der Rentner mit Sommerhut und Sonnenbrille. Aber fehlen will er heute nicht. Als in der Schiffbauergasse noch die alte Gasfabrik stand, hatte er hier seinen Arbeitsplatz. Den Neubau des Hans-Otto-Theaters hat Roth seit der Grundsteinlegung verfolgt, „drum komm ick jetz och.“ Außerdem sei die Atmosphäre schön, und man könne den Bürgermeister mal wieder sehen.

Oberbürgermeister Jann Jakobs steigt gerade von Bord des Ausflugsschiffs „Belvedere“, auf dem er sich gemeinsam mit Ministerpräsident Matthias Platzeck (beide SPD) dem Theater auf die edelste Art genähert hat – vom Wasser aus. Die Potsdamer Turmbläser blasen zum Empfang. Ausflugsstimmung liegt über dem Ufer, es wird Eis geschleckt und Palmen sind aufgestellt, die zu den gewölbten Dächern des Theaters passen – nach dem Wunsch des Architekten Gottfried Böhm legen diese sich selbst wie Palmwedel zum Wasser hin. Es strahlen Glasfassade, Sonne, Würdenträger und die Limousine des Bundespräsidenten.

Viele Schaulustige sind gekommen, nicht nur wegen der Prominenz, sondern vor allem um einen Blick in ihr neues Theater zu werfen. Doch nur geladene Gäste dürfen ins Foyer. „Ich glaub’ ich bin im falschen Film“, sagt Adolf Messerschmidt, der nicht einmal zum Getränkestand vorgelassen wurde. Er steht zusammen mit anderen Zuschauern im alten Gasometer, der als Warenanlieferungshof in den Bau integriert wurde. Eine Leinwand war hier versprochen, auf die der Festakt übertragen werden sollte. Doch die Sonne strahlt zu hell und die Leinwand zu blass, und nur ein kleiner Fernseher überträgt nun das Bild aus dem verdunkelten Saal, wo der Schauspieler Günter Rüger die „Zueignung“ aus Goethes Faust spricht. „Typisch Potsdam“, findet Messerschmidt. Der Neubau gefällt ihm allerdings, und das ein oder andere Stück will er sich auch ansehen - auch wenn er und seine Frau, wenn sie schon ins Theater gehen, sich meistens doch für Berlin entscheiden.

Messerschmidts Spötteln wird hier draußen geteilt. Als Intendant Uwe Eric Laufenberg in seiner Begrüßung Präsidenten, Ministerpräsidenten, Minister und Staatssekretäre abgehakt hat, regt sich zustimmendes Gelächter. „Und nu’ wir“, witzelt einer.

Für den mit 26 Millionen Euro vergleichsweise günstigen Neubau haben allerdings alle nur warme Worte. „Endlich hat Potsdam mal eine moderne Architektur, für die es sich nicht schämen muss“, sagt Renate Bormann, früher als Geschäftsführerin der Potsdamer Urania selbst Kulturschaffende. Sie hat auch mit der „Belvedere“ angelegt und schwärmt: „Es ist ein Erlebnis, sich dem Theater vom Wasser zu nähern.“ Ihr Tipp: „Die Berliner sollten alle mit dem Schiff kommen.“

Angelika Weller-Eylert fühlt sich „festlich beschwingt“. Die frühere Buchhändlerin ist vor zwei Jahren nach Potsdam gezogen und hat sich damals mit ihrem Mann sofort Abonnements für das Hans Otto Theater besorgt. Sie engagiert sich im Förderkreis, der bisher fast nur von Berlinern organisiert wird. „Das zeigt, dass sich die Potsdamer noch nicht so mit ihrem Theater identifizieren“, glaubt sie. Der Neubau dürfte das ändern, lockt er doch schon heute viele an, die keine treuen Theatergänger sind. „Die Blüte an der Havel“, schwärmt Platzeck in seiner Rede, „hat sich geöffnet.“ Für den Ministerpräsidenten, der, als er Potsdamer Oberbürgermeister war, die Neubau-Bemühungen über Jahre mitverfolgt hat ist heute ein persönlicher Festtag. Statt eines Schlüssels übergibt er dem Intendanten fünf Kugeln, Reste einer Baumaschine aus dem alten Theaterrohbau, der 1991 abgebrochen worden war. Salopp beendet er das jahrzehntelange Theater um Potsdams Theater: „Hier haste die Kugeln.“ Gelächter drinnen und draußen.

Kolja Reichert

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