zum Hauptinhalt

Brandenburg: Die reichsten Kommunen der bettelarmen Mark

Orte können dank hoher Steuereinnahmen auf Landeszuschüsse verzichtenVON FRANK HOFMANN POTSDAM.In Brandenburg sind 15 Kommunen reich: Sie erhalten im laufenden Jahr keine Zuwendung aus dem gemeinsamen Steuertopf des Landes, weil sie ihre Aufgaben durch eigene Einnahmen, vor allem die Gewerbesteuer, decken können.

Orte können dank hoher Steuereinnahmen auf Landeszuschüsse verzichtenVON FRANK HOFMANN POTSDAM.In Brandenburg sind 15 Kommunen reich: Sie erhalten im laufenden Jahr keine Zuwendung aus dem gemeinsamen Steuertopf des Landes, weil sie ihre Aufgaben durch eigene Einnahmen, vor allem die Gewerbesteuer, decken können.Spitzenreiter unter den wohlhabenden Dörfern ist im sonst bettelarmen Brandenburg das 421 Einwohner zählende Ahrensdorf mit mindestens 11,4 Millionen Mark Gewerbesteuer für 1997.Die Kleinstadt mit dem bundesweit höchsten Prokopfaufkommen an Gewerbesteuer ist der ADtranz-Standort Hennigsdorf mit 41,7 Millionen Mark Gewerbesteuer-Einnahmen.Gleichzeitig stehen rund 100 Kommunen vor der Pleite: Sie sind auf zusätzliche Hilfen des Landes angewiesen. In Ahrensdorf gibt es keine Parteien.Der Gemeinderat des 421-Seelen-Dorfes wird von sieben Bürgern bestritten, die sich vor allem durch ihr Engagement im örtlichen Sportverein oder bei der Freiwilligen Feuerwehr auszeichnen.Hin und wieder schauen auch die hiesigen Beschäftigten des Daimler-Benz-Konzerns bei der Bürgermeisterin vorbei.Das ist nicht schwer: Das Büro der Daimler Benz & Co.Finanzanlagen OHG sowie der Wertpapierhandel OHG - beide Firmen haben ihren Sitz in Ahrensdorf - befindet sich im Gebäude der Gemeindeverwaltung.Von hier aus bewegen zwei Wertpapierhändler und zwei Geschäftsführer Milliardenbeträge durch die weltweiten Finanzdatennetze.Allein 1996 setzten die beiden Firmen, so Daimler-Manager Detlev Heering, 4,2 Milliarden Mark um.Zum Wohle der Aktionäre des größten deutschen Industriekonzerns - und des Dorfes, in dem sich die vier Daimler-Beschäftigten längst heimisch fühlen.Sie machen die Menschen in Ahrensdorf zu Gewerbesteuer-Millionären. Der Vier-Mitarbeiter-Betrieb des Daimler-Konzerns bringt dem Dorfsäckel der Gemeinde im Landkreis Teltow-Fläming ein Gewerbesteueraufkommen pro Kopf von 27 133,56 Mark für 1997.Allein in diesem Jahr kann sich der Dorfkämmerer auf eine Überweisung über 28 Millionen Mark freuen, inklusive der Nachzahlungen der vorausgegangenen Jahre.Ein Novum in Brandenburg, wo die Mehrheit der Kommunen Jahr für Jahr "gerademal so" ihre Pflichtaufgaben, darunter die Finanzierung von Kindergärten, bewerkstelligen können, sagt Hasso Lieber, Leiter der Kommunalaufsicht im Innenministerium.Dem Kommunalaufseher ist der Ahrensdorfer Reichtum denn auch ein Dorn im Auge: "Das ist ein deutliches Zeichen für die Fehler in der Verwaltungsstruktur des Landes." Die meisten Gemeindekassen sind so leer wie der Landeshaushalt selbst.Dem Ministerium liegen derzeit allein 100 Anträge auf Finanzhilfen aus dem Haushaltssicherungsfonds des Landes vor, mit dem die Stolpe-Regierung den ärmsten Kommunen hilft.Die Kämmerer haben für das laufende Jahr 78 Millionen Mark zusätzlicher Finanzspritzen beantragt, um ihre Gemeinden vor der drohenden Pleite zu bewahren.Lieber würde deshalb am liebsten sofort zahlreiche Gemeinden zusammenlegen.Die wenigen finanzstarken sollen den bettelarmen Kommunen helfen.Doch eine von oben verordnete landesweite Gemeindereform hat die Brandenburger Landes-SPD auf Druck aus den Ortsverbänden auf die nächste Legislaturperiode vertagt.Das Innenministerium hofft deshalb auf den guten Willen: Im September entscheiden die Ahrensdorfer in einer Volksabstimmung, ob sie sich freiwillig dem benachbarten Ludwigsfelde anschließen wollen, das es gerademal auf eine Million Mark Gewerbesteuer bringt.Vier weitere Gemeinden haben dem schon zugestimmt, - während in Ahrensdorf schon Unterschriften gegen den Zusammenschluß gesammelt werden. Neben dem superreichen 421-Einwohner-Ort ist bei 14 weiteren Gemeinden das Steueraufkommen so hoch, daß sie keine zusätzlichen Mittel nach dem Gemeindefinanzierungsgesetz erhalten.Die einzige Stadt neben lauter Dörfern ist dabei Hennigsdorf mit knapp 24 000 Einwohnern.Dort verschafft vor allem das Gemeinschaftsunternehmen ADtranz von ABB und Daimler Benz der Stadtverwaltung einen Gewerbesteuerregen von 41,7 Millionen Mark."Das ergibt das größte Prokopfaufkommen einer Stadt in Deutschland, Hennigsdorf ist das neue Sindelfingen", sagt Hasso Lieber (siehe Grafik).Unter den Spitzenreitern liegt auch Waltersdorf, wo die Handelsunternehmen im gleichnamigen Gewerbepark vor den Toren Berlins den Haushalt aufforsten. Der Ahrensdorfer Daimler-Manager Detlev Heering freut sich unterdessen über den geringen Gewerbesteuerhebesatz von 150 Prozentpunkten, den die sieben Gemeindeverordneten aus Feuerwehr und Sportverein den Stuttgartern gewähren.Hätten die beiden Kapitalfirmen ihren Sitz in Berlin, wären dies 390 Prozentpunkte.Darüberhinaus "sehen wir in Ahrensdorf eine gewisse Verpflichtung", sagt Heering.Mercedes hatte Ende 1993 das Versprechen revidiert, auf der Ahrensdorfer Gemarkung ein Lastwagen-Werk mit 4000 Arbeitsplätzen zu bauen. Sollte in Brandenburg 1997 noch die umstrittene Gewerbekapitalsteuer erhoben werden, können sich die Ahrensdorfer über einen zusätzlichen Geldregen freuen: Das Kapital, mit dem die Wertpapierhändler von Daimler Benz arbeiten, beläuft sich auf "mehr als zwei Milliarden Mark", so Daimler-Manager Heering.So oder so fällt genug für die 421 Dorfbewohner ab: Die Feuerwehr hat neuestes Gerät in der Garage, für die Freizeitsportler ist längst ein Sportzentrum inklusive Schwimmhalle im Bau.

FRANK HOFMANN

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false