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Brandenburg: Die Rückkehr der Angst

Misshandelter Afrikaner sagte im Prozess gegen junge Rechte aus

Von Frank Jansen

Potsdam. Er hat Angst und redet hastig. Obwohl er nach 15 Jahren in Deutschland die Sprache beherrscht, muss eine Dolmetscherin auf Portugiesisch übersetzen. „Sie haben mich zu Boden geworfen, ich weiß nicht ob andere dazugekommen sind. Sie haben mich geschlagen und getreten, ich wurde ohnmächtig“, sagt Ali Ibrahim. Der Mosambikaner sitzt im Saal 015 des Landgerichts Potsdam und soll erzählen, was in der Nacht zum 3. August 2002 in Ludwigsfelde geschah. Die Jugendkammer unter Vorsitz von Richter Klaus Przybilla versucht, dem schmächtigen, 38 Jahre alten Mann die Angst zu nehmen. Vor seiner Aussage wurden die fünf Angeklagten aus dem Saal gebracht.

Nur lückenhaft kann sich Ibrahim erinnern. Die Angeklagten David E. und Daniel L. hätten ihn auf der Straße getroffen und gezwungen, mitzukommen. „Ich sagte, tut mir nichts Böses an“, sagt Ibrahim. Die jungen Männer erzählten was von einer Party mit Ausländern und führten ihn zum Waldstadion. Dort hatten sich schon ihre Kumpel versammelt. Er habe die ihm gereichte Flasche Bier getrunken, obwohl er nicht wollte, sagt Ibrahim. Dann habe ihm David E. ins Gesicht geschlagen. Die Tortur begann. Ibrahim verlor das Bewusstsein und wachte Stunden später wieder auf – in einer Toilette des Ludwigsfelder Ärztehauses. Er war schwer verletzt. Und: „Ich war ganz nackt“, sagt Ibrahim, „meine Uhr war weg, mein Ring, mein Portemonnaie, meine Hausschlüssel“. Mühsam schleppte er sich zum Krankenhaus.

Die fünf Angeklagten, zwei waren zur Tatzeit erst 15 Jahre alt, müssen sich wegen versuchten Mordes verantworten, begangen aus Fremdenhass. Mindestens ein Angeklagter soll schon früher Ibrahim bedroht und belästigt haben. Ob sich der Mosambikaner jemals wieder erholen wird, ist ungewiss. Anfang der 90er Jahre litt er unter Angstzuständen. Sie sind nun mit voller Wucht zurückgekehrt. Drei Wochen nach der Tat geriet Ibrahim in Panik. Er glaubte, David E. stehe vor der Wohnungstür. Ibrahim rief die Polizei, seilte sich vom Balkon im ersten Stock ab und lief den Beamten schreiend entgegen. David E. saß längst in Untersuchungshaft. „Ich war außer Kontrolle vor lauter Angst“, sagt Ibrahim. Und dass er tagsüber die Wohnung kaum noch verlässt. Wenn es dunkel wird, „dann gar nicht mehr“.

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