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Brandenburg: „Die Säge regiert“

Schutzgemeinschaft Brandenburger Allen beklagt, dass 2004 doppeltso vieleBäumegefällt wurden wie 2001 und wenig nachgepflanzt

Potsdam - Brandenburgs Alleen sind in Gefahr. Die Zahl der jährlichen Baumfällungen allein an Bundes- und Landesstraßen hat sich seit 2001 von rund 3000 auf 6600 im letzten Jahr verdoppelt. Diese Angaben machte gestern die „Schutzgemeinschaft Brandenburger Alleen“. Sie wies zudem darauf hin, dass dies noch längst nicht alles sei, denn es kämen ja noch die Fällungen an kommunalen Straßen hinzu. „Die Säge regiert“, fasste die Schutzgemeinschaft ihren gestrigen Bericht zusammen. Sie befürchtet, dass die Alleen in zehn bis 20 Jahren „großräumig verschwunden sind“.

Ein Erlass des Umwelt- und Verkehrsministeriums aus dem Jahr 2000 sieht zwar Ausgleichspflanzungen im Verhältnis 1:1 vor, wird jedoch nicht umgesetzt. Deshalb nimmt das „Nachpflanzdefizit“ laut Schutzgemeinschaft rasant zu: So seien in den letzten vier Jahren 19 000 Alleebäume an Bundes- und Landesstraßen gefällt, aber nur 12 700 nachgepflanzt worden – das Defizit sei auf 6200 Bäume angewachsen. An einigen früheren Alleen stehe schon seit der Wende kein Baum mehr.

Wegen der „alarmierenden Bilanz“ fordert die Schutzgemeinschaft von der Landesregierung Sofortmaßnahmen, so einen Alleenfonds zur Finanzierung der Nachpflanzungen. In diesen sollen wie in Mecklenburg-Vorpommern für jeden gefällten Baum 290 Euro eingezahlt werden, aber auch Spenden fließen. Infrastrukturminister Frank Szymanski (SPD) bestätigte die Zahlen und versicherte, dass verstärkt nachgepflanzt werde: 2005 sollen an Bundes- und Landesstraßen 5000 Bäume gesetzt werden.

Die Schutzgemeinschaft ist wegen bisheriger Erfahrungen aber skeptisch, ob das Ziel erreicht wird und das Defizit bei den Nachpflanzungen abgebaut werden kann – schon weil 2005 wieder mit Tausenden gefällten Bäumen gerechnet werden muss. Sie spricht von einem „Systemfehler“: Nachpflanzungen würden aus dem Topf „Unterhalt von Bundes- und Landestraßen“ finanziert, der schon für den eigentlichen Zweck nicht reicht.

Szymanski selbst gibt zu, dass er nach Geldquellen sucht: Er nannte die für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen beim Straßenbau vorgesehenen Mittel sowie den Naturschutzfonds. „Die Alleen dürfen als wichtiges Kulturgut und touristische Attraktion nicht verschwinden“, betont der Minister, der auch die Bürokratie für die Lage verantwortlich macht: Die Genehmigungsverfahren für Nachpflanzungen, für die zum Teil Flächen gekauft werden müssen, seien kompliziert. „Hier muss sich etwas ändern.“ Dass willkürlich gefällt wird, bestritt Szymanski: Hauptgründe seien Bau- und Sicherheitsmaßnahmen. Naturschützer machen aber auch den Einsatz von Tausalz und dieunsachgemäßePflegeverantwortlich.

Brandenburg ist das Bundesland mit den meisten Alleen – ihre Gesamtlänge wird auf 8000 bis 12 000 Kilometer geschätzt. Sie wurden im 18. Jahrhundert von Friedrich Wilhelm I. als „verkehrssichernde Maßnahme“ angelegt. Um ihren Zustand zu dokumentieren, hat die Schutzgemeinschaft gestern zu einem Fotowettbewerb „Alleen erleben“ aufgerufen, an dem sich jeder beteiligen kann. Infos: www.bund-brandenburg.de

Michael Mara

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