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Brandenburg: Die vergessene Fabrik

Frankfurt wollte Chips auf Weltniveau bauen, Millionen wurden investiert, vor 20 Monaten kam das Aus. Seitdem steht die Halle leer

Frankfurt (Oder) – Hoch strecken sich die steilen Brückenbügel in den grauen Himmel. Sie leuchten hellrot, eine optimistische Farbe, sie sollten die 1300 Mitarbeiter tragen, die hinüber wollen in die Chipfabrik, die moderne Hightech-Anlage, erbaut mit Geld aus aller Welt, und ganz vorn dabei im Halbleitermarkt. Das waren sie, die Träume, die Hoffnungen. Doch dann ist die Brücke nur ein einziges Mal genutzt worden. Am 27. November 2003 von Martin Patzelt, der ist der Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder) und an dem Tag stinksauer. Umgeben von Presse, Funk und Fernsehen befestigte er am Brückengitter ein Spruchband: „Hier stirbt der Aufschwung Ost. Danke Herr Bundeskanzler“ stand darauf. Das lasen die Autofahrer auf ihrem Weg in die Grenzstadt und in Richtung Polen. Damals war das Ende der mit so vielen Hoffnungen verknüpften Chipfabrik noch vor dem Produktionsstart verkündet worden. Der Bund hatte dem Vorhaben der Communicant AG seine Unterstützung versagt. Seitdem rührt sich nichts mehr in dem 15 bis 20 Millionen Euro teuren Koloss neben der Autobahn. Niemand braucht die Halle, niemand braucht die Fußgängerbrücke.

20 Monate nach dem Aus für die geplante Hightech-Schmiede bewegt sich auf dem Gelände nur ein Wachschutzmann. Und es ist völlig unklar, was mit dem Flachbau geschehen soll.

Die Anteilseigner an der Communicant AG halten sich heute auf die Frage nach der Zukunft der Fabrik zurück. Es werde sich um die Vermarktung der Immobilie bemüht, heißt es vom Vorstand. Es solle eine „nachhaltige Wertschöpfung“ installiert werden.

Der Sprecher des Brandenburger Wirtschaftsministerium, Steffen Kammradt, warnt vor Schnellschüssen. „Das Gebäude der Chipfabrik ist technisch so kompliziert, dass es nicht für eine beliebige Produktion verwendet werden kann“, sagt er. „Allein der Reinraum für die Herstellung der Speicherchips verlangt eine angemessene Nutzung.“ Nach seinen Angaben liegt alle Verantwortung beim Vorstand und Aufsichtsrat der Communicant AG, an der das Land nur fünf Prozent halte.

Der frühere Vorstandsvorsitzende der AG, Klaus Wiemer, der inzwischen in den USA lebt, sieht wenig Chancen für einen Verkauf des Gebäudes. Und nennt dafür zwei Gründe: Der Ruf von Frankfurt (Oder) sei schlecht. „Außerdem ist die Halle augenscheinlich von Amateuren entworfen worden“, sagte Wiemer, der im Mai 2002 das Unternehmen verlassen hatte. Sie entspreche nicht den heutigen Anforderungen und besitze ein unflexibles Design. Es gebe Qualitätsprobleme. „Das Dach leckt“, sagt Wiemer.

So bleiben die Chipfabrik und die Fußgängerbrücke wohl noch lange Zeit ein weiteres und teures Zeugnis für geplatzte Hoffnungen im Osten. Es sind nicht die einzigen. Als „Leuchttürme“ waren Projekte wie die Chipfabrik oder der Eurospeedway Lausitzring angepriesen worden. Auf dem ehemaligen russischen Flugplatz sollten riesige Luftschiffe der Cargolifter AG starten. Für das einstige Hauptquartier der russischen Streitkräfte in Wünsdorf entstand auf dem Reißbrett eine Beamtenstadt für bis zu 10 000 Menschen. Sie sollten in Berlin und Potsdam arbeiten und im Grünen wohnen. Die gleiche Idee stand hinter dem Projekt für das ehemalige Olympische Dorf hinter Spandau. Alle Projekte scheiterten.

Die Chipfabrik in Frankfurt (Oder) war für die Entwicklung und den Bau von kleinsten elektronischen Bauelementen vorgesehen. „Sie verändern die Welt der Handys“, kündigte im Jahr 2000 der damalige Chef des Instituts für Halbleiterphysik, Abbas Ourmazd an. Mit solchen Visionen überzeugte Ourmazd nicht nur die Landesregierung, sondern auch Geldgeber aus Dubai (150 Millionen) und den US-Chiphersteller Intel (40 Millionen Euro). Gemeinsam gründeten sie die Communicant AG, die die Chipfabrik in der Oderstadt bauen und betreiben sollten. Das Projekt scheiterte letztlich an der fehlenden Staatsbürgschaft für einen Kredit in Höhe von 650 Millionen Euro. Das Bundeswirtschaftsministerium verweigerte die, weil es keine ausreichenden Marktchancen für die Chips sah. 300 Millionen Euro waren bis November 2003 in den Standort geflossen, davon stammte die Hälfte aus öffentlichen Kassen.

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