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Brandenburg: Die Vogel-Falle

Eine Firma will für 70 Millionen Euro einen Windpark bauen. Das Umweltministerium ist dagegen, weil die Rotoren die roten Adler töten und vertreiben könnten

Von Sandra Dassler

Peitz - Er ist Brandenburgs Wappentier, und er lebt gefährlich. Nur knapp über 100 Seeadler-Paare gibt es im Land. Ein Drittel der Tiere stirbt qualvoll an Bleivergiftung, weil die Jäger die Innereien von erlegtem Wild liegen lassen. Der schnellere Tod ereilt jährlich mindestens vier bis sechs märkische Seeadler in den Windparks des Landes. Ursache sind die Rotorenflügel, die sich keineswegs immer langsam und gemächlich drehen, sondern an den Spitzen Geschwindigkeiten bis zu 200 Stundenkilometern erreichen. Die in Fachzeitschriften veröffentlichten Bilder der geköpften und halbierten Vögel sind schrecklich. Das Landesumweltministerium setzt alles daran, den Adlern dieses Schicksal zu ersparen.

„Dass allerdings die Behörde um der Adler willen Arbeitsplätze aufs Spiel setzt und den verarmten Kommunen zusätzliche Steuereinnahmen verweigert, hätten wir nicht gedacht“, heißt es bei den Mitarbeitern der Dresdner Boreas Energie GmbH, eine der führenden ostdeutschen Firmen für erneuerbare Energien. Das Unternehmen wollte 70 Millionen Euro in einen großen Windpark in der Nähe von Peitz in Südbrandenburg investieren. Acht bis zehn dauerhafte Arbeitsplätze sollten entstehen. Die umliegenden Kommunen hatten dem Projekt zugestimmt. Im Gegensatz zu anderen Windparkstandorten im Lande gibt es kaum Proteste von Anwohnern. Das liegt möglicherweise auch daran, dass der Park mit mehr als zwanzig mindestens 100 Meter hohen Windrädern auf einem Gelände gebaut werden soll, das durch militärische und chemische Nutzung stark verseucht ist. Die Firma Boreas hat sich bereit erklärt, die Kosten für die Munitionsentsorgung und die Bodenreinigung zu übernehmen, da dem Land Brandenburg die finanziellen Mittel dafür fehlen.

Doch das wiegt in den Augen der Brandenburger Naturschützer den möglichen Schaden für die Adler nicht auf. „Der geplante Standort befindet sich in einem Vogelschutzgebiet, in dem die seltenen Seeadler leben und nisten“, sagt der Sprecher des Landesumweltamtes, Jens-Uwe Schade: „Da befürchtet werden muss, dass die Adler durch den riesigen Windpark vertrieben werden, haben wir schon vor eineinhalb Jahren der Firma Boreas empfohlen, ihr Vorhaben an diesem Standort nicht weiterzuverfolgen.“

Bernhard Weigel, Projektleiter von Boreas, will dieses Argument nicht gelten lassen. Die Fläche in Preilack sei im „Regionalplan Wind“ genehmigt worden, in dem das Land Brandenburg vor drei Jahren festgelegt hat, wo Windparks entstehen können. „Die zuständigen Gremien haben uns versichert, dass Einwände des Naturschutzes zwar ausführlich beraten, aber schließlich als nachrangig eingestuft worden sind.“Deshalb habe Boreas auch schon 2002 in Bärenbrück, in der Nähe des geplanten Standortes, eine Niederlassung eröffnet. Hier würden auch zwölf Lehrlinge in Zusammenarbeit mit dem Energiekonzern Vattenfall Europe zu Mechatronikern ausgebildet – alles im Hinblick auf den kommenden Windpark.

Doch das Umweltministerium verweigert seine Unterschrift unter einen Pachtvertrag für das Gelände, der zwischen Boreas und dem Landesforstamt ausgehandelt wurde. Daran haben auch Gespräche des Windpark-Betreibers mit Ministeriums- und Regierungsvertretern nichts ändern können. In der vergangenen Woche fanden noch einmal Beratungen im Umweltministerium statt. Ein Sprecher bestätigte dem Tagesspiegel: „Wir bleiben bei unserem Nein. In diesen Tagen geht ein entsprechender Brief an die Firma Boreas. Natürlich sind wir gern bereit, bei der Suche nach Ausweichstandorten zu helfen.“

Für die Vertreter der Dresdner Firma ist das ein Schlag ins Gesicht. Zum einen sind die möglichen Standorte für Windparks in Brandenburg sehr begehrt und längst von Konkurrenten belagert. Zum anderen läuft ihnen die Zeit davon, weil die Vergütung, die Windradbetreiber für die Einspeisung des Stroms ins Netz bekommen, von Jahr zu Jahr sinkt.

Bernhard Weigel kann daher seine Enttäuschung nicht verhehlen. Die Zahl der Seeadler sei in der betreffenden Gegend inzwischen wieder so hoch, dass sich die Tiere bei Revierkämpfen gegenseitig töten, sagt er. Zwar sei nachgewiesen, dass ab und zu Seeadler, Milane und andere Großvögel in die Rotoren der Windräder geraten und getötet werden. Keineswegs aber sei sicher, dass der geplante Windpark die Seeadler tatsächlich von ihren Nistplätzen vertreiben wird.

„Um das herauszufinden, haben wir dem Potsdamer Ministerium angeboten, auf dem Gelände der geplanten Anlage Kameras zu installieren und die Auswirkungen der Windräder auf die Vögel zu untersuchen“, erzählt Weigel. „Man hat uns nicht einmal geantwortet.“

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