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Brandenburg: Die Wiedergeburt der Lucretia

Ein seit Kriegsende verschollenes Rubens-Gemälde aus Schloss Sanssouci ist in Moskau sichergestellt worden

Potsdam. Das Ende einer 58-jährigen Odyssee ist in Sicht. Die russische Generalstaatsanwaltschaft hat das verschollene Rubens-Gemälde „Tarquinius und Lucretia“, das der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten gehört, jetzt in Moskau sichergestellt. Der derzeitige Besitzer händigte den russischen Behörden das stark in Mitleidenschaft gezogene Bild aus. Das Ölgemälde zählt zu den Hauptwerken des flämischen Barock-Künstlers Peter Paul Rubens (1577-1640). Es zeigt die Schändung der keuschen Römerin Lucretia durch den vom Liebeswahn besessenen Königssohn Tarquinius. Experten schätzen den Wert des Gemäldes auf 80 Millionen Euro. Es gehört zu den gravierendsten Kriegsverlusten der Stiftung.

Ins Rollen kamen die Ermittlungen durch eine E-Mail im Februar: Schweizer Vermittler hätten der Potsdamer Stiftung das Gemälde zum Kauf angeboten, berichtete der „Spiegel“. Damit begann die Jagd nach dem Kunstschatz, die schnell zur Chefsache wurde. Einerseits ging die Stiftung dem seltsamen Kaufangebot nach. Parallel dazu informierte sie die Bundesregierung, die für die Rückführung von Beutekunst zuständig ist. Diese wiederum schaltete die Kriminalpolizei ein – wegen des Verdachts der „Bandenhehlerei“. Sogar Bundeskanzler Gerhard Schröder und der russische Staatspräsident Wladimir Putin befassten sich mit dem Fall.

Nun atmen Bundesregierung, Fahnder und die Kunstwächter der Stiftung auf. Nach russischen Medienangaben war der letzte Besitzer ein Kunstsammler, der das Gemälde vor Jahren auf einem Antiquitätenmarkt erworben hatte und es restaurierte. Nun informierte der Sammler das russische Kultusministerium über den Kauf und übergab das Bild auf Drängen des Ministeriums an die russischen Behörden.

Das großformatige Rubens-Gemälde ist auf 1610/1611 datiert. Zuletzt war es bis 1942 in der Bildergalerie des Schlosses Sanssouci ausgestellt. Aus Schutz vor Kriegsbeschädigungen hatte man es dann nach Rheinsberg ausgelagert. Seit Kriegsende galt es als verschollen. Es tauchte auf keiner Liste der Kulturgüter auf, die von der Roten Armee bei Kriegsende als so genannte Beutekunst abtransportiert wurden. Vermutlich hatte ein sowjetischer Offizier das Kunstwerk privat entwendet und nach Russland geschmuggelt.

Wann „Tarquinius und Lucretia“ wieder im Schloss Sanssouci hängen wird, ist noch nicht absehbar. Da der Kunstdieb das Gemälde als Privatperson nach Russland gebracht habe, gilt nicht das allgemeine Duma-Gesetz über die Rückführung von Beutekunst, wie eine Sprecherin von Kulturstaatsministerin Christina Weiss erläutert. Als Nächstes werde wohl ein Antrag auf Ausfuhr gestellt.

Johannes Batzdorf

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