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Die Bundesregierung will bis zum Sommer eine digitale Agenda erarbeiten.

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Update

Digitale Agenda: Wie die große Koalition das Neuland aufteilen will

Die Bundesregierung will eine digitale Agenda erstellen und daran sind verschiedene Akteure beteiligt. Im Kabinett wandern Referate aus dem Wirtschafts- ins Verkehrsministerium und im Bundestag wird ein neuer Ausschuss versuchen, Einfluss zu nehmen. Ein Text aus der neuen Beilage "Agenda" des Tagesspiegels.

Mit Neuland soll jetzt Schluss sein. Die Bundesregierung will nicht länger staunend auf die digitale Entwicklung schauen, sondern selbst Hand anlegen. Das aber wird ein kleiner Drahtseilakt, weil die Bandbreite des Themas groß und die Kompetenzen entsprechend weit verteilt sind. Es geht um den Ausbau der Hardware, der Breitbandverbindungen. Und es geht um die Software: Datenschutz, Sicherheit und Wirtschaftsförderung. Bis zum Sommer will die Bundesregierung eine Digitale Agenda vorlegen – und da mischen mehrere Player mit – sowohl im Parlament als auch aufseiten der Bundesregierung und der Lobbyisten.

Im Parlament wird vor allem der neue Ausschuss „Digitale Agenda“ ein wichtiger Akteur. Über den Ausschuss debattiert am Donnerstag das Plenum des Bundestages, in der kommenden Woche soll er sich dann konstituieren. Vorsitzender wird Jens Koeppen (CDU), der für sich mit dem Motto „Nägel mit Koeppen für Uckermark und Barnim“ wirbt. Koeppen war Obmann der Union in der Internet-Enquetekommission des Bundestags. Für die SPD wird Lars Klingbeil die entscheidende Rolle übernehmen. Allerdings bestehen erhebliche Zweifel, wie viel Macht der neue Ausschuss wirklich ausübt, denn er hat keine Federführung, sondern nur beratende Funktion. Immerhin konnten sich alle Bundestagsfraktionen auf einen gemeinsamen Einsetzungsantrag verständigen. In dem ist auch davon die Rede, dass der Ausschuss "in der Regel" mitberatend sei. Trotzdem heißt das, die wichtigen Entscheidungen, wenn es um Breitbandausbau, IT-Sicherheit, Datenschutz, Netzneutralität oder andere Netz-Themen geht, liegen im Innen- und Rechtsausschuss sowie beim Verkehrsausschuss, der analog zum Ministerium um den Bereich digitale Infrastruktur erweitert wurde.

Auch die Fachpolitiker hätten gern mehr gehabt und sehen den Ausschuss in seiner derzeitigen Form nur als ersten Schritt. Dennoch kann das Gremium die öffentliche Debatte beeinflussen. Auch das Netzwerk dahinter ist nicht zu unterschätzen. Denn viele der Netzpolitiker sind in zwei größeren Vereinen organisiert: dem eher CDU-nahen C-Netz sowie dem eher SPD-nahen D64. Vom C-Netz sind mit Thomas Jarzombek, netzpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, und Nadine Schön, Fraktionsvize, gleich zwei Vorstandsmitglieder aus dem C-Netz im neuen Ausschuss vertreten. Aufseiten der SPD gehört mit Klingbeil ein Gründungsmitglied von D64 dazu. Klingbeil und Jarzombek werden auch die entscheidende Achse im Ausschuss bilden. Die Vereine begreifen sich als unabhängig, gleichwohl sind auch Interessenvertreter dabei – Stefan Keuchel zum Beispiel, der ist Pressesprecher von Google und Gründungsmitglied bei D64. Oder Axel Wallrabenstein im C-Netz. Er ist dort Beiratsvorsitzender und Chairman der Beratungsfirma MSLGroup Germany. Ein Auftraggeber: wiederum Google.

Was wandert aus dem Wirtschafts- ins neue Verkehrsministerium?

Der Ausschuss könnte eine Art zentralisiertes Gegengewicht zur dezentralen Organisation auf Regierungsebene werden. Denn den einen Internetminister gibt es nicht. Die Federführung bei der Erarbeitung der Digitalen Agenda teilen sich drei Ministerien: das Wirtschafts-, das Innen- und das um die digitale Infrastruktur erweiterte Verkehrsministerium. Auf der Kabinettsklausur in Meseberg haben sich Sigmar Gabriel (Wirtschaft) und Alexander Dobrindt (Verkehr) auf eine Arbeitsteilung verständigt.

Im Wirtschaftsministerium beschäftigt sich die Abteilung 6 „IT-, Kommunikations- und Postpolitik“ mit den digitalen Themen. Bisher war das Ministerium auch für den Breitbandausbau zuständig, doch da diese Aufgabe nun das Verkehrsministerium übernehmen soll, wandert das Referat 6 A2 „Telekommunikation Wirtschaft, Breitbandstrategie“ ins direkt benachbarte Verkehrsministerium. Außerdem wird das sogenannte Breitbandbüro in die Zuständigkeit des Verkehrsministeriums übergehen. Dieses Büro ist eine Art Beratungseinrichtung des Bundes für Bürger, aber auch Ansprechpartner für die Länder. Es wurde 2010 noch vom Wirtschaftsministerium gegründet und soll den Breitbandausbau begleiten. Auch die Fachaufsicht für die Telekommunikationsnetze in der Bundesnetzagentur geht ins Verkehrsministerium über. Teile des Referats 6 A5 „Frequenzpolitik“ werden ebenfalls ins Nachbarministerium wandern. Auch die Stellen, die sich mit dem Thema Telekommunikationsrecht in Bezug auf die physische Infrastruktur beschäftigen, landen bei Dobrindt. Was sich nach einer Menge anhört, ist in Stellen ausgedrückt nicht sehr viel: 14 Stellen wandern vom Wirtschafts- ins Verkehrsministerium. Das ordnende Prinzip lautet: Die Förderung der digitalen Wirtschaft fällt in Gabriels Ressort, Dobrindts Haus kümmert sich um die Infrastruktur. Der CSU-Mann will dafür eine „Netzallianz Digitales Deutschland“ gründen. Das erste Treffen mit Unternehmen der IT-Branche soll noch vor der Computermesse Cebit stattfinden, die am 10. März in Hannover beginnt.

Eng vernetzt sind auch die Staatssekretärinnen im Wirtschafts- und Verkehrsministerium. Brigitte Zypries (SPD), Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, und Dorothee Bär (CSU) im Verkehrsressort kennen sich aus den Koalitionsverhandlungen, wo es eine eigene Arbeitsgruppe zur „Digitalen Agenda“ gab, die beide gemeinsam geleitet haben.

Dritter im Bund ist das Bundesinnenministerium, das für die Bereiche Sicherheit und Datenschutz verantwortlich ist. Zwei Personen spielen im Haus von Thomas de Maizière (CDU) eine zentrale Rolle: die Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnik Cornelia Rogall- Grothe sowie Martin Schallbruch, IT-Beauftragter und IT-Direktor im Innenministerium. Zentrales Projekt wird ein neues Sicherheitsgesetz sein, das Schwarz-Gelb bereits angefangen, aber nicht zu Ende gebracht hat. Internetprovider und Betreiber von Webseiten werden die Fortschritte mit besonderem Interesse verfolgen. Denn es geht unter anderem darum, Provider zu verpflichten, ihre Kunden auf Sicherheitslücken aufmerksam zu machen. Außerdem sollen Webseitenbetreiber stärker in die Verantwortung genommen werden, zum Beispiel wenn sich Kunden Schadsoftware über Werbung auf einer Seite einfangen.

Auch das Justiz- und Verbraucherschutzministerium sowie das Bildungsministerium werden bei der Erarbeitung der Digitalen Agenda punktuell gefragt sein. Nachgeordnete Behörden wie das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.

Dieser Text erschien in der neuen Beilage "Agenda" des Tagesspiegels. Die "Agenda" erscheint jeden Dienstag in Sitzungswochen des Deutschen Bundestages in der gedruckten Ausgabe des Tagesspiegels sowie im E-Paper und liefert politischen Hintergrund aus dem Innenleben der Macht.

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