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Brandenburg: „Du, wollen wir uns eine Kirche kaufen?“

Das Ehepaar Kißner hat St. Marien in Spandau restaurieren lassen. Heute wird der Altar geweiht

Wer kauft schon eine Kirche und restauriert sie mit dem eigenen Geld? Die Kißners aus Neukölln zum Beispiel. Hannelore und Helmut Kißner sind keine Millionäre, sondern zwei bescheidene, eher stille Menschen. Er ist Verwaltungsangestellter beim Finanzamt und geht bald in Pension; sie arbeitet bei der evangelischen Kirche. Und trotzdem gelang ihnen das, was Pfarrer Matthias Mücke einen „Hauptgewinn im Lotto“ nennt: Die Kißners haben mit ihrem Privatvermögen die Kirche St. Marien in der Straße namens Behnitz gekauft und sie vollständig restaurieren lassen. Nach über einem Jahr steht der Backsteinbau aus dem Jahr 1848 in der Spandauer Altstadt nun wieder für Gottesdienste bereit. Heute um 10 Uhr wird der Erzbischof den Altar und die Orgel weihen.

Mit zufriedenen Gesichtern stehen die beiden vor den farbigen Wandmalereien in der Apsis. „Angefangen hat alles 1995 auf einer Autofahrt“, sagt Helmut Kißner. Weil er selbst kein Auto hat, bat er seinen Vermögensberater, ihn nach Schleswig-Holstein zu fahren, wo die Kißners von ihren Eltern ein Anwesen besitzen. Die Tour war lang genug, um ins Plaudern zu kommen. „Da schilderte er mir“, sagt Helmut Kißner, „dass seine Kirchengemeinde ein gewisses Problem hätte.“ Der Vermögensberater Bernd Witt ist Kirchenvorstand der Hauptgemeinde St. Maria, die die Basilika am Behnitz damals verkaufen musste. Das Erzbistum hatte kein Geld, um das Gotteshaus zu sanieren. Die rumänisch-orthodoxe Gemeinde hatte Interesse an dem Haus. Wäre das Haus an sie gegangen, wäre wohl der gesamte Innenraum umgestaltet worden. Mit diesem Gedanken wollte und konnte sich Kißner nicht anfreunden, nachdem er St. Marien gesehen hatte. Das Haus ist nach der St. Hedwigskathedrale die zweitälteste katholische Kirche im Stadtgebiet, die nach der Reformation gebaut wurde.

Also fragte Kißner seine Frau: „Du, sollen wir eine Kirche kaufen?“ Sie sagte Ja. Und zwar „irgendwie aus dem Bauch heraus“ und nicht, weil sie besonders fromm sei. Für 250000 Euro gehörte die Kirche ihnen. Zunächst wollten sie nur die schlimmsten Schäden beheben und das Dach reparieren. Um ihr Vermögen war es geschehen, als sie sich in eine Ansichtskarte von 1895 verguckten, die das Innere der Kirche, nämlich Apsis und Chorwand, zeigt. Da haben sie beschlossen, dass es „wieder so schön wie damals werden sollte“. Die Restauratoren konnten aus den Schwarz-Weiß-Fotografien und aus historischen Bauakten ein stimmiges Bild des ausgehenden 19. Jahrhundert entwerfen. Unter Denkmalschützern ist dieses Vorgehen nicht unumstritten. Das Erscheinungsbild der gesamten Nachkriegszeit zum Beispiel ist nun nicht mehr sichtbar.

Die Kißners sind mit ihrer Kirche viel mehr Geld losgeworden, als ursprünglich geplant – eine Summe nennen sie aber nicht. In der Gemeinde sind vor allem die älteren Kirchgänger begeistert, was die Kißners mit Genugtuung erfüllt. Denn Freunde und Bekannte hatten anfangs nur Kopfschütteln für ihr Vorhaben übrig. „Früher kam ich immer nur wegen des Weihnachtsmarkts nach Spandau“, sagt Hannelore Kißner. „Jetzt wird es wesentlich öfter sein.“

Sven Schade

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