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Eberswalde: Liberale Streitkultur

Auf dem FDP-Landesparteitag in Eberswalde ist am gestrigen Sonnabend von der Basis massive Kritik an Landeschef Heinz Lanfermann und an Landtags-Fraktionschef Hans-Peter Goetz geübt worden. Stehend applaudierten die 164 Delegierten dem nach – seit 1991 bekannten und jetzt wieder diskutierten – Stasi-Vorwürfen zurückgetretenen Landesschatzmeister Rainer Siebert.

In einer Generalaussprache wurde der FDP-Doppelspitze „Unfairness“ im Umgang mit Siebert vorgeworfen, da sie sich „ohne Not und ohne neue Fakten“ von ihm abgewandt habe. Kritisiert wurden auch die Ausgrenzung der Potsdamer Abgeordneten Linda Teuteberg bei der Besetzung der Enquetekommission zur SED-Diktatur und das desaströse Bild der FDP in den letzten Wochen, für das Lanfermann und Goetz verantwortlich gemacht wurden.

Der angestaute Unmut brach sich Bahn. Es sei nicht akzeptabel, „wie leichtfertig die Führungsspitze die Ehre von Siebert abgeschnitten habe“, sagte der Potsdamer Delegierte Joseph F. Maier, der die Stimmung im Saal traf und unter dem Beifall vieler Delegierter sogar den Rücktritt von Goetz forderte. „Was ist eigentlich schlimmer: ein unergiebiger IM gewesen zu sein oder Mitglied der SED, die die Stasi schnüffeln ließ“, fügte Maier mit Blick auf die SED-Vita des Landtagsfraktionschefs hinzu: „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeißen.“ Scharf kritisierte Mayer, dass Lanfermann und Goetz in ihren Reden keine Versäumnisse zugaben.

Tatsächlich hatten beide Politiker ihren Auftritt vor allem zur ausführlichen Medienschelte genutzt und Geschlossenheit eingefordert. Nach Worten von Lanfermann hätte Siebert nicht zurücktreten müssen, dieser habe Schaden von der Partei abwenden wollen. Siebert selbst äußerte sich enttäuscht, dass man ihm öffentlichen Rückhalt verweigerte, obwohl es gegenüber 1991 keine neuen Fakten gab. Damals war er wegen einer IM-Akte aus seiner Wehrdienstzeit in den 70er Jahren als „Grenzfall“ eingestuft worden.

Es war der erste Parteitag seit dem Wiedereinzug ins Parlament nach 15 Jahren. Doch es ging um den Umgang untereinander, um Kommunikations- und Führungsdefizite. Erstmals äußerte sich auch Teuteberg, die trotz ihres Engagements in SED-Opferverbänden nicht in die Enquetekommission geschickt wurde. „Die ganze Welt wusste, dass es mir ein Herzensanliegen ist“, sagte die 28-Jährige.

Der Parteitag wollte einen Antrag zum weiteren Umgang mit Verstrickungen in der SED-Diktatur beschließen. Angesichts der aufgeheizten Debatten nahm man davon Abstand und schuf eine Kommission, unter anderem mit dem Ehrenvorsitzenden und Ex-Kulturminister Hinrich Enderlein. Sie soll eine abgestimmte, konsensfähige Linie der Brandenburger Liberalen entwickeln.

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