zum Hauptinhalt

Brandenburg: Ein Jahr Haft auf Bewährung für Trittbrettfahrer im Fall Ulrike

Knapp eine Woche nach der Verurteilung des Mörders der zwölfjährigen Ulrike Brandt wurde gestern ein "Trittbrettfahrer" vor dem Frankfurter Amtsgericht zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Er hatte acht Tage nach dem Verschwinden des Kindes bei der Polizei angerufen und für 55 000 Mark Ulrikes Freilassung angeboten.

Knapp eine Woche nach der Verurteilung des Mörders der zwölfjährigen Ulrike Brandt wurde gestern ein "Trittbrettfahrer" vor dem Frankfurter Amtsgericht zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Er hatte acht Tage nach dem Verschwinden des Kindes bei der Polizei angerufen und für 55 000 Mark Ulrikes Freilassung angeboten.

"Die Übergabe erfolgt im Raum Berlin. Aber keinen großen Aufmarsch! In einer Stunde kriegen Sie weitere Anweisungen", sagte der unbekannte Anrufer und legte auf. Er hatte am 2. März die Notrufnummer 110 gewählt, um die Polizei von der Lösegeldforderung zu informieren. Die Polizei konnte seinen Standort in einer Telefonzelle in Erkner sofort orten, doch als die Streifenwagen dort angekamen, war der Mann schon weg. Wenig später meldete er sich per Handy: "Die Übergabe erfolgt im Raum Rüdersdorf." Nach dem dritten Anruf griff die Polizei zu.

Vor Gericht wischt sich Horst R. die Tränen ab, als die Staatsanwältin die Anklageschrift verliest: versuchte Erpressung, Missbrauch des Notrufes und Vortäuschen einer Straftat. Dafür drohen bis zu fünf Jahre Haft. R. bestreitet nichts. Er sei damals von Calau nach Erkner gefahren, um Papiere bei einem Kollegen abzuholen. Als er im Autoradio von der Belohnung im Entführungsfall Ulrike hörte, habe er an seine Schulden gedacht und der Polizei die Freilassung des Kindes angeboten, mit dessen Entführung er gar nichts zu tun hatte. 20 000 Mark habe er für überfällige Unterhaltszahlungen an seine vier Kinder gebraucht. Die gleiche Summe für offene Rechnungen seiner Ex-Frau, die sich eine Wohnung einrichten ließ, ohne zu bezahlen. Mit dem Rest hätte er sein Gehalt aufgebessert.

"Wie haben Sie sich denn die Geldübergabe ausgemalt?", fragt die Staatsanwältin. Der Angeklagte hebt die Schultern und holt wieder sein Taschentuch hervor. Er habe nicht darüber nachgedacht. Er ist totenblass; sein schütteres Haar lässt ihn älter aussehen als seine 42 Jahre. Einen Anwalt hat er nicht. Schon zwei Mal hat er vor Gericht gestanden: Einmal ist er zu 650 Mark Strafe verurteilt worden, weil er aus Polen mehr Zigaretten und Benzin als erlaubt nach Deutschland bringen wollte. Und vor kurzem war er wegen Kindesmissbrauchs angeklagt. Aber diese Anzeige hatte ihm seine ehemalige Freundin eingebrockt, damit er die gemeinsame vierjährige Tochter nicht mehr sehen darf.

R. sei "eine recht labile Persönlichkeit, die vom Leben nicht gerade mit Samthandschuhen angefasst worden ist", sagt die Staatsanwältin. Aber seine Anrufe seien besonders skrupellos gewesen, weil damals alle noch hofften, Ulrike lebend zu finden. Die Richterin spricht von einer "sinnlosen Verschwendung der Polizeikräfte" und verurteilt R. zu einem Jahr Haft - auf Bewährung, weil sie ihm seine Reue glaubt und er lieber seine Schulden abarbeiten als im Gefängnis sitzen solle. Horst R. ist erleichtert. "Die Strafe ist gerecht", sagt er hinterher. Schon lange wolle er sich bei den Eltern der toten Ulrike entschuldigen. Er wisse nur nicht wie.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false