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Brandenburg: Einkaufen am Abend veränderte die Stadt

Seit zehn Jahren dürfen die Geschäfte bis 20 Uhr öffnen. Viele Arztpraxen und Fitness-Center zogen nach

Menschen mit Plastiktüten findet Dietrich Henckel ausgesprochen interessant. Wenn er sie abends durch die Stadt laufen sieht, weiß er, dass die Geschäfte lange offen hatten. Zum abendlichen Berliner Stadtbild gehören sie allerdings erst seit zehn Jahren. Am 21. Juni 1996 beschloss der Bundestag längere Ladenöffnungszeiten: Ab dem 1. November konnten die Geschäfte unter der Woche bis 20 Uhr öffnen, samstags bis 16 Uhr.

Dietrich Henckel ist Direktor des Instituts für Stadt- und Regionalplanung an der Berliner TU. Die Folgen der ausgedehnten Einkaufsmöglichkeiten kann man am Stadtbild ablesen, findet er. „Es gibt drei Gebiete in Berlin, die wir in der Forschung als 24-Stunden-Zonen bezeichnen, auch wenn die Läden in der Regel nicht rund um die Uhr auf haben: den Zoo, den Hackeschen Markt und den Potsdamer Platz.“ Alles Verkehrsknotenpunkte der öffentlichen Verkehrsmittel, die auch abends und nachts die Leute nach dem Erlebnis-Shoppen wieder nach Hause bringen. Am Potsdamer Platz, erzählt Henckel, weise schon allein das ausgedehnte unterirdische Versorgunssystem darauf hin, dass beim Umbau von Anfang an von längeren Ladenöffnungszeiten ausgegangen worden sei. Dass sich rund um den Hackeschen Markt im vergangenen Jahrzehnt einiges geändert hat, zeigen die Durchgangssperren: „Den Bewohnern der Höfe ist es wegen des langen Betriebs zu laut geworden“, erzählt Henckel. „Ab 22 Uhr kommt man nun nur noch bis zum zweiten Hof.“

Seit alle auch nach Feierabend Besorgungen machen können, ist das Bummeln fester Bestandteil der Freizeitgestaltung geworden. Ein eindeutiges Indiz dafür sind für Henckel die vielen innerstädtischen Malls, die seither entstanden sind. „Viel spannender ist aber, dass die lockeren Öffnungszeiten längst nicht mehr nur den Einzelhandel betreffen“, meint Henckel. „Arztpraxen haben Abendsprechstunden, ins Fitness-Center kann man rund um die Uhr. Das hat es 1996 noch nicht gegeben.“

Dass sich Berlin verändert hat, findet auch Günter Päds, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Berliner Einzelhandelsverbandes. „Es ist mehr Leben in der Stadt. Für eine Weltstadt wie Berlin war die Ausdehnung der Öffnungszeiten bis 20 Uhr das beste, was passieren konnte.“ Holger Lunau, Sprecher der IHK-Berlin, pflichtet ihm bei: „Berlin ist eine Einkaufsmetropole. Und in den letzten zehn Jahren sind wir für Touristen noch attraktiver geworden. Sie besuchen ein Museum, hören sich ein Konzert an – und gehen shoppen.“ Längere Öffnungszeiten bedeuteten aber nicht mehr Umsatz, entgegnet der Handelssekretär von verdi-Berlin Achim Neumann. „Wer seinen Schlüpper in 84 Stunden pro Woche nicht kaufen kann, der wird das auch nicht tun, wenn er mehr Zeit hat.“

Stadtplaner debattieren schon lange, wie sie in ihren Entwürfen auf die Möglichkeit für Späteinkäufe reagieren können. Eines ist allen klar: Es belebt die Innenstädte. Ein positiver Effekt laut Wissenschaftler Henckel: „Je länger die Leute bummeln können, desto voller sind die Straßen abends. Und alle fühlen sich sicherer.“

Anne Haeming

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