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Elstal: Trockenschwimmen im Olympischen Dorf

Jahrzehntelang verfielen die Sportstätten in Elstal. Zum 75. Jahrestag der Spiele soll der Verfall wenigstens zum Teil aufgehalten werden.

Elstal - Mit einem Lächeln steht der Bauingenieur Karl-Peter Nielsen vor einem Berg übereinandergestapelter Metallrahmen, rostiger Ketten und schwerer Eisenplatten. „Das wird wieder funktionieren“, sagt der Mann und läuft durch ziemlich verfallene Dusch- und Umkleideräume bis zu den Resten eines Schwimmbeckens. Der Nieselregen peitscht durch die offene Seitenwand und macht die Atmosphäre in diesem Bauwerk noch unheimlicher. „In etwas mehr als einem halben Jahr sieht es hier ganz anders aus“, meint Nielsen, der immerzu vor Löchern im Boden oder anderen Stolperstellen warnt. „Dann hebt sich auf Knopfdruck die Fensterfront, die jetzt nur noch aus den Schrottstapeln besteht, und die Sommerfrische kann in die bis dahin wieder hergestellte Schwimmhalle kontrolliert hineingelassen werden.“ Der Zeitplan orientiert sich nicht ganz zufällig auf die Jahresmitte 2011. Schließlich jährt sich dann die Eröffnung dieser Schwimmhalle und der zahlreichen anderen Gebäude auf dem eingezäunten Areal hinter der westlichen Berliner Stadtgrenze zum 75. Mal. Im fast vergessenen Olympischen Dorf der Spiele von 1936 sollen Besucher dann die zumindest äußerlich denkmalgerecht sanierte Schwimmhalle in Augenschein nehmen können.

„Allerdings geben wir das 25-Meter-Becken dann nicht zum Schwimmen frei“, dämpft Marin Honerla, Vorstand der Stiftung für gesellschaftliches Engagement der Deutschen Kreditbank (DKB), allzu große Hoffnungen. „Wir als Eigentümer des 55 Hektar großen Olympischen Dorfes wollen lediglich alle erhaltenswerten Gebäude dauerhaft sichern und den Verfall stoppen.“ Das allein sei eine kostspielige Aufgabe. Rund eine halbe Million Euro jährlich verschlingen Reparaturen, Instandsetzungen und die Bewachung des Geländes an der Bundesstraße 5 in Richtung Autobahn. Allein das neue Dach der Schwimmhalle kostet 1,6 Millionen Euro, wobei sich Bund und Land Brandenburg zu je einem Drittel beteiligen.

Ursprünglich gab es für das heute wie eine Geisterstadt anmutende Gelände, auf dem sich 4000 männliche Athleten für die Wettkämpfe im 18 Kilometer entfernten Olympiastadion und anderen Sportstätten im August 1936 vorbereiteten, ganz andere Pläne. Ins ellipsenförmig gebaute Speisehaus der Nationen mit seinen 38 Sälen sollten ein internationales Kongresszentrum, eine Reha-Klinik, ein Vier-Sterne-Hotel und zuletzt eine Fußballschule für 1000 Kinder und Jugendliche einziehen. Doch alle Pläne erwiesen sich als Luftschlösser, auch wenn große internationale Konzerne angeblich für ein Engagement bereitstanden. Mitte der neunziger Jahre kündigte die inzwischen liquidierte Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) sogar den Bau von Wohnungen für 16 000 Menschen an.

Der Grund für das Scheitern aller Visionen offenbart sich auf einer Erkundungstour und beim Blick in die Geschichtsbücher. So wie die derzeit renovierte Schwimmhalle weisen auch die Turnhalle, die verbliebenen 20 von einst 136 Sportlerunterkünften, das einst als Veranstaltungszentrum genutzte Hindenburghaus und auch das Speisehaus der Nationen große Bauschäden auf. Für die 16 Tage währenden Olympischen Spiele erfüllte die von Professor Werner March konzipierte Anlage durchaus ihre Zwecke. Doch von Anfang an stand fest, dass nach den Sportlern hier Soldaten der Wehrmacht dauerhaft Quartier nehmen sollten. Das Speisehaus wurde während des Krieges zum Lazarett. Nach dessen Ende zog eine große russische Garnison aufs Gelände, die mehrere Plattenbauten errichten ließ. Diese müssten für eine neue Bebauung genau wie die Garagenkomplexe erst abgerissen werden.

Den größten Schaden aber erlitten die von den Militärs nicht gerade sorgsam behandelten Gebäude erst nach Abzug der russischen Soldaten 1991. „Zerstörung und Diebstahl haben das Gelände arg getroffen“, sagt Martin Honerla von der Eigentümer-Stiftung. „Ein Brandanschlag auf die Schwimmhalle zerstörte beispielsweise das komplette Dach.“ Angesichts des schlechten Zustandes des Geländes hätten wohl viele Investoren ihr anfängliches Interesse verloren, glaubt er.

Seit Dezember 2005 bemühe sich die Stiftung um den Stopp des Verfalls. Zumindest eine Sportlerbaracke kann wieder im nahezu originalen Zustand betrachtet werden. Im „Haus Meißen“ wohnte während der Spiele die amerikanische Delegation um Superstar Jesse Owens. Ein Foto auf dem Schreibtisch des authentisch eingerichteten Zimmers zeigt den schwarzen Sprinter und Weitspringer, der wie zum Hohn für den rassistischen Größenwahn der Nazis mit vier Goldmedaillen 1936 zum erfolgreichsten Olympia-Teilnehmer wurde.

Zurück auf der Baustelle in der Schwimmhalle, liefert Bauingenieur Nielsen weiter Argumente für den Denkmalschutz. „Nicht nur die elektrischen Fenster und die in der damaligen Zeit noch fast unbekannte Sauna fallen aus dem Rahmen, sondern auch das knapp 20 Meter breite Tonnengewölbe über dem Becken“, sagt er. Während sich die umliegenden Gemeinden ein öffentliches Schwimmbad auf dem Olympiagelände wünschen, bleibt die DKB-Stiftung skeptisch. „Die Ausmaße reichen nicht für ein heute übliches Spaßbad, sondern höchstens für Vereinsschwimmen oder die Ausbildung von Rettungsschwimmern“, sagt Vorstand Honerla. Führungen sind auf Anfrage unter Tel. 033 094 / 71 0 zu erfragen.

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