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© Klaus Muche

Energiepolitik: Lausitzer werfen Linke "Wahlbetrug" vor

Erst gegen Kohle, nun dafür? Der Kurs der Linken-Führung empört viele Lausitzer – auch eigene Genossen.

Von Sandra Dassler

Cottbus/Beeskow/Atterwasch - René Schusters Linkspartei hat gewonnen. Und nun soll sie sogar mitregieren. Aber René Schusters Freude hält sich in Grenzen. Eher ist der 35-jährige Cottbuser besorgt, und mit ihm sorgen sich viele Menschen im Süden und Osten Brandenburgs – auch viele Linke. „Wir sind als Linkspartei im Wahlkampf für eine andere Energiepolitik eingetreten“, sagt Schuster: „Wenn es dabei bleibt, was angeblich in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD erreicht wurde, dann wäre dies ein falsches Versprechen gewesen. Der Partei und mir ganz persönlich täte das sehr weh.“

Eine andere Energiepolitik – das hieß für die Linkspartei in der Lausitz „keine neuen Tagebaue“. Ein entsprechendes Volksbegehren hatten die Linken unterstützt. Vor allem aber hatten sie den Menschen in den Dörfern, die für neue Tagebaue abgebaggert werden müssten, versprochen: „Mit uns nicht.“

Beispielsweise in Kerkwitz, das neben den Nachbardörfern Atterwasch und Grabko dem künftigen Tagebau Jänschwalde-Nord weichen müsste. Hier hat sich Dieter Augustiniak von der Linkspartei gegen die Abbaggerung stark gemacht.

Auf einer Konferenz, bei der sich die Spitze der brandenburgischen Linkspartei am Sonnabend die Rückendeckung der Basis für die bisherigen Koalitionsverhandlungen holen wollte, hat er berichtet, dass ihn die Menschen in seinem Dorf bereits enttäuscht ansprechen. Wenn die Forderung „keine neuen Tagebaue“ von der Linken fallen gelassen werde, sieht Augustiniak ein „massives Glaubwürdigkeitsproblem“ auf die Partei zukommen.

Hört man sich in den drei von Abbaggerung bedrohten Dörfern um, bestätigt sich das. Viele Einwohner haben offenbar wegen der Hoffnung auf den Erhalt der Heimat die Linkspartei gewählt. Auch in Atterwasch sei das so gewesen, erzählt Tischlermeister Udo Bräske. Im benachbarten Kerkwitz habe man der Linkspartei und ihren Versprechen skeptischer gegenüber gestanden, sagt Roland Lehmann: „Hier sind zwar alle sehr enttäuscht von der Kehrtwendung der Linken, aber überrascht sind sie nicht.“ Dann erzählt der parteilose Ortsbürgermeister, dass schon vor der Wahl viele Einwohner gesagt hätten: „Wenn die Rot-Rot machen, werden die Linken wohl umfallen.“

Klaus Muche, langjähriges Mitglied im brandenburgischen Braunkohleausschuss, sagt: „Viele Umweltaktivisten haben diesmal die Linkspartei wegen ihres Engagements gegen neue Tagebaue und gegen die Einrichtung von unterirdischen Kohlendioxid-Endlagern gewählt. Wenn sich die Linkspartei bei beiden Positionen nicht durchsetzt, ist das schlichtweg Wahlbetrug.“ In dem, was bislang von den Koalitionsverhandlungen bekannt wurde, kann Muche in Sachen Energiepolitik „nicht einmal den Hauch eines Kompromisses“ erkennen. „Das sind auf der ganzen Linie die bisherigen Platzeck-Positionen“, sagt er, „oder Sprechblasen – von wegen, man will Vattenfall zum Umweltschutz verpflichten, das ist der Konzern doch sowieso.“

Das sieht auch Peer Jürgens so. Der 29-Jährige hatte mit seinem Kampf gegen Kohlendioxid-Endlager unter Beeskow und Neutrebbin bei der Landtagswahl ein Direktmandat für die Linke gewonnen. Jetzt erreichen ihn täglich Mails von irritierten oder wütenden Bürgern. „Ich finde, dass meine Partei da keine Kompromisse eingehen darf“, sagt er. „Wir haben mit dieser Forderung geworben, wir haben Plakate durch die Straßen getragen, auch unser Landesvorsitzender Thomas Nord war dabei.“

Wenn seine Parteiführung anders entscheidet, will sich Peer Jürgens in seinem Wahlkreis dennoch weiter gegen die unterirdischen Endlager engagieren. Einstweilen aber hofft er auf mehr Prinzipientreue bei den Koalitionsverhandlungen.

Auch René Schuster hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. „Es sieht zwar nicht gut aus, aber noch liegt die Koalitionsvereinbarung ja nicht vor“, sagt er. Sollte es aber dabei bleiben, dass seine Parteiführung der SPD in Sachen Energiepolitik nicht mehr als „rhetorische Floskeln“ abringe, überlegt er sogar, aus der Linkspartei auszutreten.

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